Museumsquartier, Stephansdom, Prater,
Naschmarkt, Brunnenmarkt, Volkstheater … Wien bietet viel, Wien ist Kulturstadt
und Bildungszentrum für viele … doch wenn man mal von dem „Viel“ absieht, wird
einem unweigerlich bewusst, dass doch etwas nicht ganz stimmt. Hier gibt’s ja
vor allem nur Betonwände und Fassadenfluchten! Wo bleibt denn da der schöne,
warme, raue Gneis, der zerfressene Hochgebirgskalk, blockige Dolomit und das
wunderbar löchrige Konglomerat?!
Mit dieser Erkenntnis im Gepäck und einer Sehnsucht, die wohl pazifischen 10 Meter Meeresbrechern in ihrem Ausmaß kaum nachsteht, machte sich zu Beginn der Sommerferien eine kleine Gruppe Richtung Paznaun / Silvretta und Vorarlberg auf.
Der Tiroler und Vorarlberger ist verwundert, der Wiener bewundert und dennoch, alle Freunde kleingriffiger Leisten und dynamischer Züge treffen sich unter der Obhut der Ballunspitze in Galtür. Seit Boulderlegende und Erschließer Bernd Zangerl in Kooperation mit der Gemeinde Galtür das riesige Blockfeld der Ballunspitze unter dem Namen „Boulderpark Silvapark“ anpreist zieht es Kletterer aus der ganzen Welt hierher, was zu einem internationalen Flair von den Niederlanden bis den USA zwischen Alpenrosen und flechtigen Gneisblöcken führt.
„JO Zackramostl“ ruft der Einheimische „därnigi do schneddra jo alls and´re als dütsch?! Red ghörig!“
Doch die missmutigen Blicke sind nur von kurzer Dauer und schließlich begrüßt man sich beim gemeinsamen Klettern mit „Habidere“ und „Zeawas“.
Das Klettern bzw. Bouldern an den Monolithen des Silvaparks zeichnet sich vor Allem durch scharfkantige, raue Leisten und eine hervorragende Reibung aus. Das angewitterte Gestein gibt Linien durch wabenartige, geschichtete Einbuchtungen, kleine Rissen und einzelnen Kristallen vor.
Das Inversionswetter bescherte uns zu Beginn ein wunderbares Wetter. Bei kühlen, trockenen Bedingungen stürzen wir regelrecht auf das kleine Abenteuer und durchforsten den Blockwald nach besonders schönen, logischen Linien. Zwar orientieren wir uns anfangs noch an gekletterten Problemen und Klassikern, jedoch will es der Zufall und die Neugierde nicht anders, als das wir beginnen neue Linien herauszusuchen. Das Klettern ist kindisch, lustig, kräftig, technisch, frustrierend, motivierend, herausfordernd … kurzgesagt ein Wahnsinnsspaß! So vergeht der erste Tag leider auch ziemlich schnell und wir machen uns auf den Weg Richtung Bielerhöhe. Hier wollen wir in einem wohltuenden Panorama mit Krespaspitze, Vallüla, Dreiländerspitze, Schattenspitze, Schneeglocke, Hochmaderer und Piz Buin unsere Zelte aufstellen. Morgen werden wir den Granit-artigen Orthogneis des Hochmaderers unter die Lupe zu nehmen.
Nach einem wohlverdienten Guten-Morgen-Haferbrei machen wir uns auf den Weg Richtung Hochmaderer. Der 2823 Meter hohe Bergstock wirkt von der Weite breit und massiv, steht man jedoch vor seinen Wänden wird einem bewusst, dass es sich bei ihm vielmehr um einen Komplex aus vorgelagerten Türmen handelt. Der Fels sieht brüchig aus und die Wandfluchten charakterisieren sich durch ein wirres Durcheinander aus Absätzen, kleinen Dächern, senkrechten Wandabschnitten und Platten. Jedoch sollte man sich nicht abschrecken lassen, der erste Eindruck täuscht. Die Felswände sind kompakt und bieten eine genussvolle, abwechslungsreiche Kletterei. Mindestens genauso genussvoll wie die über uns eingerichteten Alpintouren ist das Spielen an den kompakten, oft sehr hohen Blöcken zu deren Füßen. Das kleine Seitental ist friedvoll und (Dank den von unten brüchig wirkenden Wandfluchten und den spärlich eingerichteten Touren) wird von Kletterern vergleichsweise selten besucht.
Am Ende des kleinen Eldorados hält sich über den ganzen Sommer hinweg ein Schneefeld, welches einen Bach mit kaltem Schmelzwasser versorgt. Hier lässt es sich gut durchatmen und man möchte gar meinen in Gefahr zu laufen sich selber zu vergessen. Vom Klettern eingenommen fällt uns erst recht spät auf, dass sich die zuerst harmlos wirkenden Wolkenfetzen zusammengetan haben – es beginnt zu regnen, so brechen wir auf. Der Regen macht uns sichtlich Spaß und beim Auto angekommen, fahren wir in strömenden Regen talabwärts durch das Montafon, den Walgau bis nach Feldkirch, wo uns eine warme Dusche und gutes Essen erwartet.
Noch am selben Abend haben wir uns entschlossen einen beliebten Klettergarten nahe Feldkirch zu besuchen – den Amberg. Der Klettergarten wurde Großteils von Lokal-Massenerschließer und Kletterpionier Marko Wasina eingerichtet und bietet eine durchgehend senkechte Wand von 40 – 50 Meter Höhe mit technisch anspruchsvoller Klettereri an horizontalen Leisten und Seitleisten. Vorsichtiges Ansteigen und ein gutes Balancegefühl sind von Nöten um hier so richtig auf seine Kosten zu kommen. Leider wurde der rechte Wandteil kurz nach unserem Besuch gesperrt, da ein geologisches Gutachten zu dem Schluss gekommen ist, dass dieser sich zu lösen droht. Auch wenn der Entschluss zweifelsohne vernünftig ist, so wird diese Wand den Feldkirchern wohl sehr abgehen. Nach einem weiteren schönen Tag lösen wir uns auch voneinander und verabschieden uns am Bahnhof Feldkirch. Vielen Dank für die schönen Sommertage, Erinnerungen und den guten Humor!
Autor:
© 2015 Andreas Guggenberger
Bilder:
© Andreas Guggenberger, Christina Stahl, Elisabeth Salletmaier, Luis Kaipf