Steinhofgründe
Tageskulturwanderung
Bhf. Wien Hütteldorf – Dehnepark – Rosental – Steinhofgründe – Otto Wagner Spital – Gedenkstätte NS (Besichtigung) – Pavillon 24 (Cafe24) – Kirche am Steinhof (Obertönemeditation) – Lichtstelen – Grüne Stube – Kinkplatz – Hochsatzengasse – Baumgartner Casinopark – Breitnerhof – Weststadion – Bhf. Hütteldorf
(ca. 11 km, + - 170 Hm)
Es
war diesmal eine ganz andere Wanderung: wenig Gehleistung aber sehr viel außergewöhnliche
Kultur: Der Beginn war noch ganz wie gewohnt. Wir gingen vom Bhf. Hütteldorf vorbei
am Fuhrmannshaus in den Dehnepark. Natürlich musste ein „Schlenker“ hinauf zum
Ruinenhaus sein. Das befindet sich zwar in erbärmlichem Zustand, aber es ist doch
das einzige Bauwerk, das vom Englischen Garten der Gräfin Paar aus dem 18. Jh. geblieben
ist. Wieder hinunter durch immer noch herbstlichen Wald zum Teich und weiter
zum „Kleinen Schutzhaus im Rosental“, in dem wir beim Mittagessen echte Wiener Schutzhausatmosphäre
mitbekamen. Mit gut gefüllten Mägen hieß es dann in die Steinhofgründe hinaufzugehen.
Eine Verbauung der großen Wiesen steht wohl außer Diskussion, nur im Ostteil mussten
Bäume einigen Neubauten weichen.
Die gesamte Anlage des als „Niederösterr. Landespflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke“ 1904 bis 1907 errichtete Anstalt war damals als größte und modernste auch architektonisch richtungweisend. Nach der nunmehr laufenden Absiedlung der psychiatrischen Abteilungen des „Otto-Wagner-Spitals“ fehlt – mit Ausnahme eines Teilbereiches, der eine Soros-Universität beherbergen wird – immer noch ein konkretes Nachnutzungskonzept für diese einzigartige Anlage! Diese Anstalt „am Spiegelgrund“ wurde – wie viele andere -während der Nazi-Herrschaft missbraucht. Über die entsetzliche Ideologie der Erhaltung der reinen Rasse unter radikaler Auslöschung des Lebens aller dafür „Unbrauchbaren“, erhielten wir in der Gedenkstätte erschütternde Einblicke. Danach spazierten zum Pavillon 24, in dem das darin untergebrachte Café von ProMente nur noch im November in Betrieb ist. In der hervorragend renovierten Jugendstilkirche Otto Wagners vertieften wir uns in eine „Obertöne-Meditation“ – ein unvergessliches Klangerlebnis im großartigen Sakralraum. Inzwischen war es Dunkel geworden, sodass wir beim Gang zum Haupttor die 772 Lichtstelen erleuchtet sahen, die an die 772 zwischen 1940 und 1945 ermordeten Kinder der „Kinderfachabteilung am Spiegelgrund“ erinnern. Über stille Nebengassen wanderten wir wieder zum Bhf. Wien-Hütteldorf hinunter.
Was wir von dieser außergewöhnlichen Kulturwanderung mitnahmen? 1.) Es gab und gibt wunderschönes und erschreckendes in unserem Wien, 2.) Wie fürchterlich rasch sich Radikalismen gegenüber Schwächeren entwickeln, und 3.) Sind wir wachsam genug, ähnliches zu erkennen und zu verhindern? Wie ist meine persönliche Einstellung im Alltag gegenüber geistig, psychisch, körperlich, sozial …Schwächeren? Aber trotz all dieser dramatischen Fragen hat uns doch auch die weithin goldglänzende Kuppel an höchster Stelle der Anlage -die der Baumgartner Höhe den Namen „Lemoniberg“ eingebracht hat-, einen positiven, bleibenden Eindruck hinterlassen. Glänzendes Wien und tragisches Wien – zum Nachdenken – so hätte der Titel der heutigen Kulturwanderung auch heißen können!
Martin Seemann
Tel. 02233/55860
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