Als zur Jahreswende 1914/15 Italien als Bündnispartner von Österreich die Abtretung Südtirols verlangte, lehnte diese dreiste Forderung Kaiser Franz Josef ab. Im Mai 1915 platzte das Bündnis und die Folge waren jene dramatischen Kampfhandlungen an der Südfront Österreich-Ungarns, die über mehrere Jahre währten und bis in die Gipfel der Dolomiten reichten.
Noch heute können wir, quasi als Mahnmale einer furchtbaren Zeit, die Wege, Barrieren und Stellungen besichtigen. Doch während vor rund 85 Jahren in der Sentinella-Scharte, zwischen dem von den Italienern besetzten Elfer und der von den Österreichern gehaltenen Rotwand harte Kämpfe auf Leben und Tot um jeden Meter Bodens geschahen, reihen sich jetzt Italiener, Deutsche und Österreicher friedlich in die Schar der Bergsteiger, die den wegen seiner herrlichen Ausblicke und der spektakulären Anlage berühmten "Alpini Klettersteig" begehen.
So waren auch wir, Ingrid und Willi, Marianne und Josef, Rosemarie, Lotte, Hermann und ich am Samstag von der Zsigmondy-Comici-Hütte gestartet. Zuerst ging es über Schuttbänder und in den Fels des Monte Popera gehauene schmale Pfade, teils nur kriechend zu bewältigen, Richtung Elfer Scharte. Der Ausblick auf die gegenüberliegenden Gipfel, den Zwölferkofel, Einserkofel, Zinnen usw. ist gewaltig und erreicht auf der Elferscharte seinen Höhepunkt. Wir hatten wieder einmal Wetterglück. In ihrer ganzen Pracht stehen die schroffen Gipfel der Sextener Dolomiten vor uns. Nach einer kurzen Pause und Besichtigung der italienischen Kriegsstellungen (es erscheint heute unverständlich, welchen strategischen Wert sie in dieser Höhe einst hatten) stiegen wir weiter, entlang ausgesetzter Felsbänder und durch steile Wände, zu deren Bewältigung Seilversicherungen und Eisenstifte helfen, Richtung Sentinellascharte (2.710m).
Von der Sentinellascharte ging’s weiter auf Steig 124 steil hinunter in Kar, und dann Richtung Rotwandspitze. Von der Notwendigkeit ihrer Besteigung waren nach 6 Stunden Gehzeit mit schwerem Rucksack nur noch Hermann und ich überzeugt. Also deponierten wir unsere Ruchsäcke im Geröll und stiegen rasch auf. Das Gipfelkreuz (ca. 2.900m) ist nicht auf der höchsten Kuppe des Berges errichtet worden, sondern steht etwas unterhalb auf einem erhöhten Grat, von dem aus der Berg unvermittelt steil ins Sextener Tal hinab fällt. Der eigentliche Gipfelbereich der Rotwand ist tabu: von alten Stellungsstollen durchbohrt besteht an diesem Teil des Berges eine extreme Steinschlaggefahr. Nach mehr als 10 Stunden, um 17 Uhr kamen wir an unserem Tagesziel, der Rotwandwiesenhütte an.
Wir hatten gut getan unseren 2-Tages Tourenplan an einem Tag durchzuziehen, denn am Sonntag regnete es. Also traten wir den Heimweg an. Mit Stationen für kulturelle Highlights (San Candido in Innichen) und kulinarischem war auch der Sonntag trotz Schlechtwetters gut genützt.