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Bergwandern ohne Auto in Vorarlberg (Bergwandern ohne Auto in Vorarlberg)

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Bergwandern ohne Auto in Vorarlberg

Ein Bericht von Steffen Farian

In die Berge mit öffentlichen Verkehrsmitteln: „Unpraktisch“ und „teuer“ sind die häufigsten Wörter, die man in diesem Zusammenhang hört. Vorarlberg bietet eine klare Alternative: vier Bahnlinien, über 100 Buslinien, pünktliche Abfahrtszeiten, aufeinander abgestimmte Verbindungen, ein freundliches und modernes Auftreten und ein günstiger Preis sprechen dafür, das Auto stehenzulassen. Der VVV, der Verkehrsverbund Vorarlberg, ist ein Jahr lang mein Chauffeur zu den schönsten Bergwanderungen im Land.

Ich wohne in Lindau am Bodensee, an der Grenze zweier Länder und auch zweier Verkehrssysteme: Bis Lindau reicht der VVV, und ab Lindau gelten die deutschen Tarife. Als Grenzbewohner kann ich ohne Zögern feststellen: Im internationalen Vergleich ist das kleine Vorarlberg ein Vorzeigeland für den öffentlichen Nahverkehr. Für 365 Euro bin ich Jahreskartenbesitzer und genieße es, die Berge nicht selber mit dem Auto anfahren zu müssen. Ob allen im Ländle so klar ist, wie gut ihr öffentlicher Nahverkehr ist? Immer wieder treffe ich Vorarlberger Wanderer, die nach kurzem Gipfelgespräch fragen, wie ich dann bei meiner geplanten Route dann am Abend zu meinem Auto zurückkomme...

Hoffentlich freuen sich die Vorarlberger Leserinnen und Leser über einen Blick von außen auf ihr schönes Land, ihre Berge und die Möglichkeit des Bergwanderns ohne Auto. Mein folgender Artikel ist im „Panorama“, der Mitgliederzeitschrift des Deutschen Alpenvereins DAV erschienen, und soll hiermit auch den Vorarlbergern zugänglich gemacht werden. 

Frühjahr: Auf dem Firstgrat vom Bregenzerwald ins Rheintal

Wenn die höheren Lagen noch unter einer Schneedecke liegen, ist oft im Bregenzerwald schon die Möglichkeit für schöne Wanderungen gegeben. Die Täler sind malerisch, die Alplandschaften vielfältig und alle Berggipfel sind für Wanderer erreichbar. Neben alten Bauernhäusern findet man in den Tälern auch die zukunftsweisende Holzarchitektur der letzten Jahrzehnte, die weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist. 

Vom Rheintal fährt stündlich, werktags sogar halbstündlich der Bus in den Bregenzerwald. Mehrmals kann man in verschiedene andere Buslinien umsteigen, die Anschlüsse sind getaktet und aufeinander abgestimmt. Meine Tour beginnt in Mellau. Über grüne Wiesen und durch wunderschöne Bergwälder gewinnt man am sonnigen Hang schnell an Höhe und erreicht nach 1000 Höhenmetern die Hangspitze (1746 m) und steht fast senkrecht über Mellau mit herrlichem Blick über den gesamten Bregenzerwald.

Natürlich nutze ich den Hauptvorteil meiner Anreiseart aus: ich muss nicht zu meinem Auto zurückkehren – das habe ich vor zwei Jahren unter anderem wegen des VVV abgeschafft. Die Rückfahrt wird spontan entschieden, je nach Schneelage und Kondition. Im späten Frühjahr kann ich ohne große Höhenunterschiede die Genusswanderung auf dem grasigen First anschließen. Man sieht im Norden den Bodensee und bei gutem Wetter die schwäbischen Alb und den Schwarzwald, in den anderen Richtungen reicht der Blick vom Säntis in der Schweiz bis zur Schesaplana im Rätikon.

Auf der Mörzelspitze (1830 m), meinem Tagesziel, kann ich die Sonne genießen, bevor ich den Abstieg antrete: ich entscheide mich, über die Sattelalpe bis Ebnit zu wandern, einem kleinen Dorf, das durch eine abenteuerlich angelegte Straße mit Dornbirn im Rheintal verbunden ist. Von dort fährt ein Kleinbus der Linie 47 im Stundentakt ab – und das ganzjährig jeden Tag, der letzte Bus fährt erst um 19.30 Uhr. Durch einspurige Tunnels und Brücken in der wilden Alplochschlucht erreicht der Bus Dornbirn, die größte Stadt Vorarlbergs. Dort fährt halbstündlich die Bahn in beide Richtungen, und zahlreiche Buslinien versorgen Dornbirn und die umliegenden Orte.

Es sind unter anderem sehr einfache Maßnahmen, die den VVV zu einem attraktiven Verkehrsnetz machen. Schon das einheitliche Design der Verkehrsmittel verrät, dass es sich um ein Gesamtkonzept und kein Stückwerk handelt: Landbusse sind gelb, Stadtbusse je nach Stadt rot (Dornbirn), blau (Bregenz), grün (Bludenz) usw. Die Busfahrer haben einen elektronischen Pünktlichkeitshelfer, der ihnen anzeigt, um wie viele Sekunden sie zu spät oder zu früh unterwegs sind. Ich kann mich also darauf verlassen, dass der Bus nicht zu früh abfährt. Oft denke ich dabei an mein letztes Linienbus-Erlebnis in Frankreich, als der Busfahrer sein Ziel 20 Minuten zu früh erreicht hat. Warum nur sind so wenige Leute eingestiegen?

Möglicherweise liegt die gute Verkehrsplanung auch an der Nähe zur Schweiz und zu Liechtenstein, die ebenso vorbildlich mit „Öffis“ erschlossen sind, dort allerdings zu deutlich höheren Preisen. In Vorarlberg arbeiten Gemeinden, das Land, der Bund und die Verkehrsunternehmen in hervorragender Weise zusammen an einem einheitlichen Verkehrskonzept. In den späten 80er-Jahren wurden die Weichen bewusst so gestellt, dass der ÖPNV eine wettbewerbsfähige Alternative zum motorisierten Individualverkehr darstellt.

Sommer: Auf dem Wormser Höhenweg hoch oben im Montafon 

Die Züge auf der großen Bahnlinie von Lindau über Feldkirch nach Bludenz verkehren halbstündlich als S-Bahn und zusätzlich dazwischen als Regionalexpress, IC oder Railjet, die man selbstverständlich alle ohne Aufpreis nutzen kann. In Bludenz geht es weiter mit der kleinen Montafonerbahn bis Schruns, wo nach wenigen Minuten zeitgleich Busse in alle Richtungen abfahren. Ich nehme die Linie ins obere Montafon bis Gortipohl. Ab Juni fährt diese Linie auf der Silvretta-Hochalpenstraße bis zur Bielerhöhe, und das in der Früh und am Nachmittag im Stundentakt. Manchmal werden Fahrten mit zwei oder sogar drei gleichzeitig fahrenden Bussen bedient.

Nun bin ich das dritte mal umgestiegen – auch so ein Reizthema für manch einen Autofahrer - aber hier ist auch umsteigen kein Problem: Regionalexpress, Railjet, Montafonerbahn, Bus - alle Anschlüsse funktionieren, und das bei nur wenigen Minuten Umsteigezeit. 

Nach einem langen Anstieg von Gortipohl aus, durch Wälder und über Pfade auf wunderschönen Wiesen erreicht man den Wormser Höhenweg, der die Wormser mit der Heilbronner Hütte verbindet. Wer dabei an eine überlaufene Route denkt, wo sich die Wanderer auf die Füße treten, täuscht sich: man kann manchmal Stunden lang keinem Menschen begegnen, denn die beiden Hütten liegen weit auseinander.

Ich gehe einen einstündigen Abschnitt des Höhenweges in grandioser Bergwelt und unglaublicher Stille. Die Beschilderung ist wie in ganz Vorarlberg vorbildlich. Man kann sich sogar online beim Land Vorarlberg über jeden offiziellen Wegweiser und die Gehzeit zwischen zwei Wegweisern informieren. An verschiedenen Stellen des Höhenweges besteht die Möglichkeit eines Gipfelabstechers, und immer wieder kann man ins Tal absteigen – das sollte man auch rechtzeitig, bevor das Skigebiet Hochjoch ins Blickfeld gerät. Den Anblick des Skigebietes erspart man sich lieber, will man den Tag in guter Erinnerung behalten. Aber immerhin hat es Vorarlberg geschafft, die Zerstörung der gewachsenen Berglandschaften auf wenige Orte zu begrenzen, die man gut meiden kann.

Vorbei an einem historischen Waal erreicht man das malerische Netzamaisäß, sozusagen eine Zwischenstation für die Kühe, wenn auf der hohen Alp das Gras noch nicht oder nicht mehr schmecken würde. In St. Gallenkirch schließlich, nach Kaffee und Apfelstrudel, lasse ich mich von Bussen und Bahnen nach Hause fahren. Während der Fahrgast mir gegenüber ohne aufzublicken auf zwei elektronische Geräte eintippt, genieße ich die schöne Fahrt durch Vorarlberg inklusive Sonnenuntergang über dem Bodensee, und verschwende keinen einzigen Gedanken an das beliebte Autofahrer-Argument, dass ich mit dem Auto eine halbe Stunde früher zu Hause wäre.

Für das Auto sprechen angeblich auch die Kosten, so hört man immer wieder. Mit Kosten meint manch ein Autofahrer nur die Benzinkosten, ohne wahrhaben zu wollen, dass allein der Wertverlust eines modernen Autos pro Monat mehrere hundert Euro betragen kann. Aber selbst für diejenigen, die nur die Benzinkosten im Blick haben, weil sie das Auto „sowieso haben“, hat der VVV die besseren Argumente parat: für 365 Euro, „zum Preis von 5 Tankfüllungen“, fährt man ein Jahr lang auf allen Buslinien und allen Bahnstrecken im Land und auch ins angrenzende Ausland: Lindau (D), Buchs und St. Margrethen (CH) und St. Anton a. A. (Tirol) sind mit dabei. Mehr als 60.000 Jahreskartenkunden (bei 375.000 Einwohnern) nutzen das Angebot. Für Urlauber bietet sich die Tageskarte an oder gleich die Wochenkarte für 39 Euro – „maximo“, also für ganz Vorarlberg. Die Fahrkarte kann man auch an den genannten Endbahnhöfen im Ausland am ÖBB-Automaten kaufen, und damit gleich zum Urlaubsort anreisen, beispielsweise aus Lindau am Bodensee.

Herbst: Zur Schesaplana, dem höchsten Gipfel im Rätikon

Wenn der Bergsommer vorbei ist, beginnt meistens im Herbst eine einzigartige Wetterlage, die jedes Jahr wieder beeindruckend ist: früher Schnee taut wieder, die Sicht wird klar und die Temperaturen erreichen tagsüber noch hohe Werte. Der Herbst ist die Zeit für die ganz großen Aussichtsberge. Die Schesaplana (2965m) im Rätikon ist ein beliebter Fast-Dreitausender und steht im Oktober auf meiner Wunschliste. 

Von Bludenz aus nehme ich die Buslinie 81 ins Brandnertal. Bis in den Herbst hinein fährt diese Linie bis zur Endhaltestelle an der Lünersee-Seilbahn. Durch wunderbare Steinlandschaften erreiche ich die Totalphütte und nach einem weiteren steilen Anstieg den Gipfel der Schesaplana, die letzten Meter davon auf Schweizer Seite. Man steht hoch über dem Schweizer Prättigau und hat von hier ein gewaltiges Panorama in alle Richtungen, bei besonders klarer Sicht kann man bis zum Montblanc sehen. Das wissen an einem schönen Sonntag zwar auch viele andere Wanderer, aber der Gipfel ist breit und bietet Platz für viele nette Berg-Bekanntschaften mit Schweizern, Österreichern, Liechtensteinern, Deutschen...

Doch auch bei kleinen, wenig frequentierten Buslinien hat der VVV durchdachte Lösungen parat. Ungünstig wäre beispielsweise ein Zwei oder Dreistundentakt, er würde von Wanderern und Einheimischen kaum angenommen. Bei der Buslinie 55 nach Schuttannen beispielsweise, die eine kleine Alp im Einzugsbereich von Dornbirn und Hohenems bedient, ist die Sache geschickt gelöst: Busse fahren nur an manchen Tagen (z. B. Sommer, Wochenende, Ferien), dann aber im Stundentakt von 8 bis 18 Uhr.

Winter: Auf einsamen Wegen am Sonnenhang über Schruns

Im neuen Jahr, wenn die Sonne schon wieder etwas Kraft gewinnt, ist der ideale Zeitpunkt für eine Winterwanderung an einem sonnigen Südhang. Von Schruns aus, dem Hauptort im Montafon, fährt etwa im Stundentakt ein Bus ins kleine Dorf Bartholomäberg (1087 m), das glücklicherweise liftfrei geblieben ist. Hier befindet sich ein großzügiges Wandergebiet, das gerade im Winter besonders interessant ist. Manche Wege sind gewalzt, manche nur als Schneeschuhtour ausgeschildert. Wenn man den richtigen Riecher hat, findet man immer denjenigen Weg, der bei der aktuellen Schneelage auch ohne Schneeschuhe begangen werden kann.

Ob ich mein Ziel, den wunderbaren Aussichtspunkt Monteneu (1883 m) erreiche, ist noch unklar. Von lockerem gehen auf gefrorener Schneedecke bis hin zu kräftezehrendem Stapfen durch zu weichen, immer tiefer werdenden Schnee ist hier alles möglich. Diesmal habe ich Glück: einige Tage ohne Neuschnee, die richtige Temperatur. Eine Spur leiten mich recht bequem meinem Ziel entgegen. Am Aussichtspunkt, der im Winter etwas versteckt liegt, verlieren sich die Spuren, ich kämpfe mich trotzdem durch – es hat sich wieder einmal gelohnt: den wunderbaren Blick auf die Drei Türme, das Wahrzeichen des Montafon, habe ich für mich alleine, während ich den heißen Tee aus der Thermoskanne genieße.

Text und Fotos:
Steffen Farian, Lindau
steffen.farian@gmx.de

 
 
 
 

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