Bericht: Patrick Hubmann
Wer sich auf der Karte die Kreuzeckgruppe ansieht, dem sticht
unweigerlich der durchgehende Kamm, der ziemlich genau in der Mitte des
Gebirges von Norden nach Süden zieht,
ins Auge. Hier befindet sich auch gleichzeitig die breiteste Stelle der
Gruppe. Der Kammverlauf ist dabei insbesondere auf der Mölltaler Seite vom Tal
weg sehr markant und zieht sich genau genommen bis zur Hohen Gränten eindeutig
durch. Erst danach besteht ein gewisser Interpretationsspielraum ob der Kamm
jetzt über den Knoten und weiter nach Berg oder über den Nassfeld Riegel
hinunter nach Greifenburg in das Obere Drautal abfällt.
Die Kreuzeckgruppe ist dabei weniger ein technisch schweres Gebirge, als vielmehr eines der gewaltigen Dimensionen. Schon allein die Luftlinie zwischen dem südlichen und nördlichen Endpunkt an der breitesten Stelle beträgt 20,5km. Die Strecke des Kammes beträgt tatsächlich 32km und 4200hm, wobei 17 benannte Gipfel überschritten werden, davon sieben die als eigenständige Gipfel ( 100m Schartenhöhe ) gelten.
Da mich solche Herausforderungen einfach magisch anziehen
habe ich mir überlegt wie dieses Monsterprojekt am Besten anzugehen wäre. Mein
ursprünglicher Plan war es, die Tour auf zwei Tage aufzuteilen und irgendwo in
der Mitte der Strecke zu biwakieren, da
ich das Gefühl hatte diese Strecke gar nicht in einem Zug bewältigen zu können.
Dies hätte aber ein erhebliches Mehrgewicht durch zusätzliche Ausrüstung
bedeutet. Die Wasserversorgung am Kamm ist auch sehr problematisch und außerdem
wird man nach einer Biwaknacht am nächsten Tag normalerweise nicht besser… Nach
einigem Hin und Her und vor allem aufgrund der Tatsache dass ich heuer sehr
viel im Ausdauerbereich trainiert habe, entscheide ich mich dann doch die ganze
Strecke in einem Zug zu absolvieren.
Ich lege den Start in Greifenburg auf drei Uhr Früh fest und setze mir selbst das Limit bis zu Mittag am Kreuzeck zu sein, andernfalls wäre ich zu langsam und würde durch den Gnoppnitzgraben wieder absteigen. Ein sehr großes Problem bei dieser Tour ist die Wasserversorgung, da man sich immer genau am Rücken hält und daher von der Emberger Alm bis Flattach nicht einen Tropfen Wasser nachfüllen kann. Ich nehme daher 4 Liter mit was für meine Verhältnisse extrem viel ist.
Am 6.August gehe ich um 03:03 gemütlich bei der Haustüre los. Es ist eine laue Nacht und ich fange bewusst langsam an um mir die Kräfte gut einzuteilen. Nach genau zwei Stunden erreiche ich die Emberger Alm und habe das Gefühl dass meine Beine heute besonders schwer sind. Das kann ja heiter werden! Ich rechne insgeheim schon damit nicht über das Kreuzeck hinaus zu kommen aber schauen wir mal. Es geht weiter über den Nassfeld Riegel, wo ich die Stirnlampe wegpacken kann, über die Hohe Gränten weiter über den Westrücken auf die Hochtristen ( damit ich mich auch tatsächlich genau am Rücken halte ). Es ist recht frisch und es bläst ein kühler Wind. So mache ich mich schnell an den Abstieg ins Sensenthörl um auf der gegenüberliegenden Seite gleich wieder den kurzen Anstieg auf den Sensenspitz in Angriff zu nehmen.
Inzwischen habe ich die ersten 2000 Höhenmeter absolviert und komischerweise fühle ich mich frischer als am Start in Greifenburg. Ich nehme es gern zur Kenntnis und gelange rasch über den Nordrücken der Sensen zum Zweiseetörl. Von dort geht es ganz kurz dem Steig Richtung Feldnerhütte entlang ehe ich nach Osten abbiege und den steilen Anstieg über schrofige Grasrinnen auf die Grafische Tristen absolviere. Von hier weg beginnt für mich das Neuland, da ich die Nordseite dieses Berges noch nicht kenne. Es geht aber viel problemloser als gedacht und schon bald gelange ich wieder auf den Steig der mich vor den Lackentörlspitz bringt. Dieser wird natürlich mitgenommen um auf der anderen Seite nach kurzem Abstieg das eigentliche Lackentörl zu erreichen.
Es ist jetzt genau neun Uhr, also habe ich für den folgenden
Abschnitt bis zum Kreuzeck genau drei Stunden Zeit. Es geht weiter über
unschwierige Grasrücken auf den Plattachkopf, wo ich die umgefallene
Gipfelstange wieder aufstelle. Der Weiterweg über Schwarzsteinkopf und Rothorn
ist schon gut einzusehen aber es schaut auch sehr weit aus. Also verliere ich
keine Zeit und steige über sehr steile Grashänge rund hundert Höhenmeter in die
Scharte ab um den nächsten Gipfel in Angriff zu nehmen, der sogar mit einer
kurzen Kletterstelle auf der Südseite aufwartet ( bis II ). Der
Schwarzsteinkopf ist sicher einer der einsamsten Gipfel überhaupt in der
Kreuzeckgruppe, nur ein verwachsener Mini-Steinmann ist am Gipfel zu finden.
Schnellen Schrittes bringe ich die Distanz zum Rothorn hinter mich um
festzustellen dass der Abstieg ins Glenktörl über nicht ganz einfaches, steiles
Blockgelände führt. Das gibt der Überschreitung das gewisse Etwas, macht einen
aber recht langsam, daher ist es wichtig auch technisch schwierigere Passagen
schnell zu meistern. Vom Glenktörl weg befinde ich mich wieder in bekanntem
Gelände und erreiche endlich das Kreuzeck. Es ist 11:58, also voll im Zeitplan
; ).
Ernüchternd ist dabei, dass das Kreuzeck nicht einmal die Hälfte der gesamten Strecke markiert. Der Weiterweg ins Mölltal scheint von hier aus endlos weit aber immerhin habe ich nun schon 3000 Höhenmeter hinter mich gebracht. So geht es nach kurzer Rast hinunter ins Wöllatörl und gleich darauf wieder hinauf auf den Schwarzriesenkopf. Danach Abstieg in das Teuchltörl und auf markiertem aber in der Realität kaum erkennbarem Steig auf den Scheuchenkopf. Diese Etappe zieht sich wie ein Kaugummi, ist aber technisch die leichteste. Auch hier am Scheuchenkopf richte ich die Gipfelstange wieder auf und bewältige anschließend den Übergang zum Striedenkopf, welcher immerhin der zweithöchste Berg der Kreuzeckgruppe ist. Hier gönne ich mir eine zehnminütige Pause und habe auch schon die Möglichkeit alle verbleibenden Gipfel einzusehen. Der Rücken wird ab dem Striedenkopf wieder sehr schmal und ausgeprägt, ein deutlicher Unterschied zur Drautaler Seite.
Weiter geht es über eine blockige Gratschneide ( I ) hinüber zum Strieden. Diese Stelle dürfte eine der alpinsten in der ganzen Gruppe sein und lässt sich schön überwinden. Vom Strieden geht es sehr steil den Rücken hinunter in die Bettlerscharte. Es ist der bis dato längste durchgehende Abstieg ( ca. 400hm ). Von hier ist nun schön langsam ein Ende in Sicht. Ich gelange über ein „Happsteigl“ auf den Möllkopf und weiter über extrem steile Grashänge, die keinen Fehler verzeihen, auf den Strugenkopf. Auf diesen Gipfel führt auch kein richtiger Steig. Er ist auf der Nordseite ebenfalls sehr steil und ich bin sehr gefordert die richtige Variante zu finden um in die nächste Scharte zu gelangen.
Die 4000 Höhenmeter – Grenze ist bereits überschritten aber
dafür steht nun der letzte Anstieg bevor. Ich bin erstaunt über mich selbst da
ich mich eigentlich immer noch recht gut fühle. Es war wohl eine gute
Entscheidung das Tempo bewusst nicht zu hoch zu wählen und immer genug zu
trinken. So bleibt man schon eine Zeit lang fit. Am Mittagsspitz angekommen
sieht man schon wie steil es nun ins Mölltal hinuntergeht. Es ist inzwischen
schon 17 Uhr.
Jetzt sind „nur“ mehr die 1700 Höhenmeter hinunter ins Mölltal zu überwinden doch die Freude darüber, dass es von nun an nur mehr bergab geht währt nur kurz, denn der Abstieg über den sogenannten „Rabenriegel“ führt durch teilweise extrem steilen, weglosen Wald. Das zahlreich herumliegende Schadholz macht die Sache auch nicht besser. Doch alles hat ein Ende und tatsächlich komme ich um 18:55 beim Eingang der Raggaschlucht heraus wo mich bereits meine Daniela und Tochter Sara Lea erwarten.
Fazit: Ein sehr langer und eindrücklicher Tag in den
heimatlichen Bergen geht zu Ende. Die technischen Schwierigkeiten der Tour
mögen nicht sehr hoch sein, doch hält man sich über weite Strecken in weglosem,
steilem Gras-/ Schrofengelände auf, welches, auch wenn es nicht so aussieht,
keinen Fehler verzeiht. Das Problem liegt eher darin, dass dieses Gelände sehr
viel Zeit kosten kann, die man auf dieser langen Tour nicht verschwenden darf.
Besonders beeindruckend: Auf der gesamten Strecke habe ich
keine Menschenseele getroffen. Das gibt’s wohl auch nur in der Kreuzeckgruppe.
Entfernung: 32km
Höhenmeter: 4200
Zeit: 15h52min
Nassfeld Riegel
Hochtristen
Sensenspitze
Grafische Tristen
Lackentörlspitz
Plattachkopf
Schwarzsteinkopf
Rothorn
Kreuzeck
Schwarzriesenkopf
Scheuchenkopf
Striedenkopf
Strieden
Möllkopf
Strugenkopf
Mittagsspitz
Plonkopf