Logo Sektion St. Pölten

Sektion St. Pölten

MITGLIED werden
zur Anmeldung

Burgenland? Extrem?

11.02.2022

Bild weisszoom

Der Leser wird sich vielleicht fragen, was ein Bericht über das Burgenland auf der Homepage eines alpinen Vereins zu suchen hat, ist doch das Burgenland nicht gerade für seine Berge bekannt. Und doch ist die 24 Stunden Burgenland Extrem Tour, ein rund 120 Kilometer langer Ultramarathon rund um den Neusiedler See, bei der man sogar sehr nahe am tiefsten Punkt Österreichs vorbeikommt, die körperlich und psychisch herausforderndste Tour, die ich dieses Jahr unternommen habe. Und ja, ich war heuer auch 4000er Bergsteigen in der Schweiz…

Ein paar Eckpunkte: Strecke: 111 bis 120 km, je nachdem, welchem Tracker man glaubt. Von Oggau nach Oggau, einmal gegen den Uhrzeigersinn rund um den Neusiedler See. Datum: Normalerweise im Januar, 2021 coronabedingt am 16 Juli. Startzeit: 0:30 Uhr. Zeiten: Zwischen 10 und 36 Stunden ist alles dabei, es wird durchgegangen, schlafen gibt es nicht. Finisher: ca. jeder 3. Höhenmeter: wenige! Was aber bringt einen jetzt wirklich dazu, im Hochsommer rund um den Neusiedler See zu latschen? Nun, für mich als Alpinist vor allem, meine Grenzen auszuloten, ohne mich dabei in große Gefahr zu bringen. Der organisatorische Rahmen erlaubt es mir, mit leichtem Gepäck zügig unterwegs zu sein, und wenn es nicht mehr geht, dann setze ich mich neben die Straße, werde abgeholt und wieder an den Startpunkt zurückgebracht. Probiert das mal in den Bergen (nicht !)

Text
Text

Nun aber zur Saga:

Eigentlich dachte ich ja, dass ich zu diesem Ersatztermin keine Zeit hätte, doch das schlechte Wetter in den Westalpen zwingt uns verfrüht zur Abreise, und so beschließe ich drei Tage vor dem Event, doch am Burgenland Extrem teilzunehmen. Trainiert habe ich zwar nicht, aber dafür bin ich umso besser akklimatisiert – man weiß ja nie! Da ich natürlich kurzfristig kein Quartier bekommen habe, reise ich von zuhause direkt zur Startzeit an. 0:30 Uhr ist schon ziemlich früh… Kurz noch registrieren, dann kann es losgehen.

Auf dem ersten Kilometer kommt gleich einmal leichter Zweifel auf - alle überholen mich? Doch schon nach vier bis fünf Kilometern habe ich die meisten der Sprintstarter wieder zurücküberholt, und das Teilnehmerfeld hat sich beruhigt. Ungefähr bei km 7 überhole ich dann zum vierten Mal denselben Südburgenländer (oder er mich?), worauf wir beschließen, den Weg doch gemeinsam fortzusetzen. In den kühlen Nachtstunden kommen wir im Licht der Stirnlampen zügig voran, noch im Dunklen überqueren wir die Grenze nach Ungarn, nur bemerkbar durch ein Schild - Schengenraum wie ich ihn liebe!

Ungarn zeichnet sich hier hauptsächlich durch die wenigen (zwei) schlecht bestückten Labestellen aus. Die nächste *gscheite* Labestelle findet sich erst bei Illmitz, 63 km nach dem Start. Während etliche Teilnehmer ihre privaten „Betreuer“ haben, die oft nicht nur mit Verpflegung, sondern auch z. B. mit Schuhen aushelfen, bin ich ganz auf die Labestellen angewiesen. Bei km 45 wird es dann das erste Mal „zach“, es wird heiß, und der Wind vermittelt einem das Gefühl, ständig gegen einen Föhn zu laufen. Gerade rund um den Einser-Kanal ist das besonders nervtötend, verändert sich doch die Landschaft kilometerweit nicht im geringsten - als ob man auf der Stelle tritt. In Kombination mit der Hitze der wohl schlimmste Teil der ganzen Strecke. Knapp vor der österreichischen Grenze trenne ich mich von meinem Weggefährten und kämpfe mich alleine weiter. In Apetlon gönne ich mir erstmal eine Pause und ein Eis – herrlich! Die letzten drei Kilometer zur Labe nach Illmitz fliege ich im Zuckerschock dann nur so dahin. Hier treffe ich auch meinen Weggefährten wieder, und gemeinsam gehen wir nach Podersdorf durch die Hölle (und das ist nicht nur ein Ortsteil Illmitz!). Das einzig Berichtenswerte von diesem Stück ist wohl, dass wir die Labe in der Hölle gerade fünf Minuten vor dem Schließen erreichen, und das Teilnehmerfeld hier schon beträchtlich geschrumpft ist.

In Podersdorf trenne ich mich schließlich endgültig von meinem Weggefährten, ich werde ihn nicht wieder sehen, denn hier ist nun endlich der Zeitpunkt für meine ganz private Spinnerei gekommen: Ich habe extra eine Badehose und ein Handtuch mitgeschleppt, denn wenn ich schon den ganzen Tag um einen See hatsche... auch wenn sie mich eine ¾ Stunde kostet, genieße ich diese Unterbrechung sehr. Die nächste Labe in Neusiedl erreiche ich gerade mit dem letzten Licht. 90 km sind es bis hierher, und ab km 80 wurde es langsam so richtig mühsam, denn meine Knöchel schmerzen inzwischen bei jedem Schritt. Aber was solls! Eine große Gruppe Menschen wartet hier auf den Bus, sie haben es bis hierher geschafft und geben nun auf. Ich aber habe mir geschworen, dass ich, wenn ich Neusiedl erreiche, notfalls ins Ziel robbe! (Sind ja eh nur 30 km…).

Knapp nach der Labe schließe ich mich mit zwei Teilnehmern, die inzwischen ebenfalls alleine unterwegs sind, zu einer Selbsthilfegruppe zusammen, lerne, dass Schnell gehen auch nicht mehr Schmerzen hervorruft, als Langsam gehen, und so laufen wir frohen Mutes und mit der Energie etlicher Traubenzucker, die uns ein Servicefahrzeug zugesteckt hat, in die zweite Nacht dieser Veranstaltung hinein. Diese Servicefahrzeuge treffen wir auf den letzten 30 km häufig, sie versorgen uns mit Wasser, Müsliriegeln, Traubenzucker, Äpfeln … DANKE! Purbach, die letzte Labe auf der Strecke, 15 km vom Ziel entfernt, lassen wir denn auch euphorisch aus - es läuft ja eh gerade so gut. Fehler!

SCHWERER FEHLER ! Denn keine fünf km nach Purbach fällt mein künstlich hoher Blutzuckerspiegel komplett in den Keller, und die Müdigkeit meldet sich brutal (bin ja auch erst seit 32 Stunden wach und habe 105 km in den Beinen…). Dafür entdecke ich interessante Dinge: Dass man im Gehen einschlafen kann; nicht stehen bleiben darf, da die ersten 3-4 Schritte wieder losgehen höllisch weh tun; und dass 10 km sich länger anfühlen können als ein Marathon… Knapp vor dem Ziel müssen wir noch einen kleinen Graben überqueren, inzwischen bin ich jedoch schon derart angeschlagen, dass dies eine ernsthafte alpinistische Herausforderung für mich darstellt! Dann aber ist es endlich geschafft, der Zielbogen liegt direkt vor uns, und unter lauten Anfeuerungsrufen laufen (ja laufen!) wir die letzten 20 Meter freudestrahlend durch den Zielbogen!

Text

26 Stunden habe ich für die komplette Umrundung des Neusiedler Sees gebraucht, für große Gefühle bin ich jedoch viel zu müde, nur für ein Foto auf der Siegercouch, und um ein paar Frankfurter zu essen, reicht die Energie noch aus. Leider mache ich dabei den Fehler, die Schuhe auszuziehen, und brauche danach sicher gut 10 Minuten für die 30 Meter zu meinem Auto, da ich gar nicht mehr aufsteigen kann! Nachdem ich dann die restliche Nacht im Auto geschlafen habe, merke ich dann auch, dass das mit dem selbst Heimfahren so auch nichts werden wird, denn meine Füße sind ob der angeschwollenen Knöchel ab dem Knie abwärts komplett steif! Aber ich habe keinen Muskelkater!

Ich möchte mich bei all den Teilnehmern und Helfern bedanken, die diese Veranstaltung zu dem machen, was sie ist: Keine reine Sportveranstaltung, sondern eine tolle Wanderung von Gleichgesinnten, mit vielen netten Gesprächen und Bekanntschaften in entspannter Atmosphäre, und freue mich auf nächstes Jahr, wenn ich, diesmal hoffentlich im Januar, gemeinsam mit meinem Vater wieder an den Start gehen werde.

 
 
 
 

Datenschutzeinstellungen

Nur wenn Sie es uns durch Klick auf das entspechende Feld unten erlauben, setzt diese Website Analyse-/Marketing Cookies ein (Details siehe Datenschutzmitteilung). Wir verwenden diese, um Analysen und Statistiken zu erstellen, sodass wir die Website laufend verbessern können.

Ebenso abhängig von Ihrer Zustimmung werden externe Komponenten geladen (Details siehe Datenschutzmitteilung), die u.U. ebenfalls Cookies setzen. Die externen Kompenenten ergänzen die von uns auf dieser Website dargestellten Informationen und bieten zusätzliche Funktionen an. 

Diese Cookies und Komponenten können vom jeweiligen Anbieter dazu genutzt werden, Daten über Ihren Website-Besuch zu sammeln.

 
 

 

 

 

 

Datenschutzhinweis

Bitte beachten Sie, dass der folgende Link eine externe Website öffnet, für deren Inhalt wir nicht verantwortlich sind und auf die unsere Datenschutzbestimmungen keine Anwendung finden. Informieren Sie sich bitte auf der neuen Webseite über den dortigen Datenschutz.

Ziel: