Bild: Werner Gantschnigg
Ich habe als Naturschutzreferent des Salzburger Landesverbands vom 8. – 10.7.2015 am Seminar des ÖAV für NaturschutzreferentInnen im Bergsteigerdorf Kartitsch in Osttirol teilgenommen. Kartitsch ist neben Obertilliach und Untertilliach eine von 3 Gemeinden im Tiroler Gailtal (die westliche Verlängerung des Kärntner Lesachtales). Die genannten 3 Gemeinden liegen zwischen den Lienzer Dolomiten im Norden und dem Karnischen Kamm im Süden. Sie setzen auf den sanften Tourismus: mit ihren Weilern und Streu-Siedlungen, den schönen Kirchen und Kapellen, den malerischen Nebentälern und Bergseen sowie den zahlreichen Gipfeln bieten diese Dörfer jede Menge unverfälschter Kultur- und Naturlandschaft abseits der großen Tourismusströme.
Bereits am Anreisetag besuchte ich die Ausstellung „Pro patria !? Kartitsch 1914-1918“, die zum Gedenken an die dunkle Geschichte der Region vor 100 Jahren anregt, als der Karnische Kamm zur Gebirgsfront wurde und die Gegend von Krieg und Zerstörung geprägt wurde.
Heute führt der Karnische Höhenweg als „Friedensweg“ durch das italienisch-österreichische Grenzgebiet am Karnischen Kamm; im Rahmen einer Ganztags-Exkursion konnten die Seminarteilnehmer am ersten Veranstaltungstag bei prächtigem Sommerwetter dieses Gebiet kennenlernen: die Wanderung führte von Kartitsch durch das Winklertal bis zu dessen Talschluss mit einem imposanten Wasserfall, dann steil aufwärts über einen in den Fels gehauenen Steig zu den Obstanser Wiesenböden in knapp 2000 m Seehöhe, und weiter in Serpentinen durch besonders üppige Alpenflora zum Obstanser See; bei der dortigen Hütte der ÖAV-Sektion Austria stärkten wir uns, bevor einige Gipfelstürmer die Pfannspitze (2678 m) erklommen, wo sich eine großartige Aussicht einerseits in die Dolomiten und andererseits zum Alpenhauptkamm auftat.
Der zweite Veranstaltungstag begann mit einem Referat von Josef Pichler (ÖAV, Abteilung Raumplanung und Naturschutz) über „alpine Naturgefahren“. Ausgehend vom katastrophalen Starkregen im Sellraintal vom 8./9. Juni 2015 zeigte Pichler erschreckend deutlich, dass derartige Elementar-Ereignisse verheerende Schäden an der Besiedlung und der Infrastruktur anrichten können; „Gefahrenzonenpläne“ als Instrumente der örtlichen Raumordnung mit „roten Zonen“ (Bauverbot) und „gelben Zonen“ (Bautätigkeit unter speziellen strengen Auflagen) sollen dazu beitragen, dass schwere Schäden an Bauten hinkünftig herabgemindert bzw. überhaupt vermieden werden.
Im Anschluss daran hielt Hans Walder, Bergbauer und ehemaliger Vorsitzender der ÖAV-Sektion Sillian, ein bemerkenswertes Referat mt dem provokanten Titel „Wieviele Kühe braucht der Bauer ?“ Ausgehend von dieser Frage berichtete der Referent über seine persönliche Strategie, mit einem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb in extremer Steillage auf 1260 m Seehöhe im Haupterwerb wirtschaftlich überlebensfähig zu sein: reine Mutterkuh-Haltung, nur 10 Großvieheinheiten, familiärer Zusammenhalt, viel Eigen-Initiative, kurz gesagt: wenig Einnahmen, aber auch wenig Ausgaben. Die Familie Walder hat sich mit dieser Strategie ihre Lebensqualität bewahrt - sie sind keine „Sklaven“ eines menschenverachtenden Systems, das immer größere Einheiten forciert - und Walder kann es sich (wie er stolz berichtet) sogar leisten, im Winter nicht beim Schilift zu arbeiten !
Christina Schwann (ÖAV, Abteilung Raumordnung und Naturschutz) und Leopold Geiblinger (Naturschutzreferent der Sektion Bad Hall) berichteten in weiterer Folge über „Bergsteigerdörfer“ und die Aktion „So schmecken die Berge“: ÖAV-Bergsteigerdörfer sind Gebirgsorte mit authentischem Charakter, die sich dem „sanften Tourismus“ verschrieben haben; sie wollen als vorbildhafte regionale Entwicklungskerne wichtige Akzente im nachhaltigen Alpintourismus setzen und stehen für die Bewahrung der örtlichen Kultur- und Naturwerte. Der Begriff ist europaweit geschützt und soll bei den Alpenvereinen (ÖAV, DAV, AVS) angesiedelt bleiben. Zur Zeit gibt es in Österreich 21 Bergsteigerdörfer, in Deutschland ist das erste in Vorbereitung (Ramsau bei Berchtesgaden); einem Bergsteigerdorf (Kals in Osttirol) wurde das Prädikat wegen touristischer Erschließungsmaßnahmen (schitechnische Verbindung mit Matrei, Chaletdorf), die mit dem Image eines Bergsteigerdorfs nicht in Einklang zu bringen sind, wieder aberkannt.
„So schmecken die Berge“ ist ein Güte-Siegel auf Alpenvereinshütten, in denen vorzugsweise regionale Speisen und Getränke auf den Tisch kommen; der Großteil der Produkte stammt aus einem Umkreis von 50 km – und möglichst aus ökologischer Berglandwirtschaft. Ziele dieser Initiative sind die Erhaltung der bergbäuerlich geprägten alpinen Kulturlandschaft, die Förderung der regionalen Wirtschaft sowie ein schonender Umgang mit Ressourcen und Energie. Die Initiative erstreckt sich über 3 Länder und 40 Gebirgsgruppen – von der Schlernbödelehütte in den Dolomiten über zahlreiche Hütten in Österreich bis zur Hochrieshütte in den Chiemgauer Alpen.
Schließlich referierte Markus Reiterer, der Generalsekretär der Alpenkonvention, über diesen völkerrechtlichen Vertrag der 8 Alpenstaaten und der EU aus dem Jahr 1995, dessen Ständiges Sekretariat sich im Herzen der Innsbrucker Altstadt befindet (eine Außenstelle ist in Bozen).
Reiterer berichtete über folgende drei aktuelle „Anlassverfahren“, mit denen sich der Überprüfungs-Ausschuss befasst (bzw. befasst hat):
- Windpark Sattelberg (südlich des Brenners)
- Seilbahn Piz Val Gronda (Ischgl)
- Egartenlandschaft um Miesbach (Oberbayern).
Im Diskussions-Stadium ist zur Zeit eine europäische Strategie für den Alpenraum („EUSALP“), u.a. mit folgenden Themen:
- Wirtschaftswachstum und Innovation
- Mobilität und Konnektivität
- Umwelt und Energie
Am restlichen Teil der Veranstaltung mit den Referaten “Sensenmähen und seine Bedeutung für Ökologie und Gesundheit“, „Vielfalt bewegt ! Alpenverein“ und einer Vorstellung der Jahresberichte sowie des „Coaching-Projektes“ konnte ich aus privaten Gründen nicht mehr teilnehmen.
So bleibt mir abschließend nur noch, der Leiterin der Abteilung Raumordnung und Naturschutz des ÖAV, Frau MMag. Liliana Dagostin, und ihrem engagierten Team für die Auswahl der interessanten Themen und die hervorragende Organisation der Veranstaltung zu danken.
Salzburg im Juli 2015
Kontakt:
Mag. Josef Fischer-Colbrie
Naturschutzreferent des Landesverbandes Salzburg
Clemens - Krauss - Str. 20
5020 Salzburg
T:
+43 (0) 660 5058411