Das Arthurhaus liegt am Fuße der Mandlwände am Mitterbergsattel an der Südostflanke des Hochkönig-Massivs auf 1.505 m. Von einer Alpenwirtschaft hat es sich im Laufe der Jahrzehnte zu einer kleinen Gaststätte bis in einen Beherbergungsbetrieb gewandelt. Diese Entwicklung ging einher mit dem Aufschwung und Fall des Mühlbacher Kupferbergbaues und der anschließenden Entwicklung des Tourismus in Mühlbach am Hochkönig. Seit dem Beginn des 20.Jahrhunderts wurde dort Schigeschichte geschrieben.
Die Geschichte des Arthurhauses reicht zurück in das Jahr 1866. Mit dem Kauf der „Mitterberg Alpe“ durch die Kupfergewerkschaft begann der Bau einer Gaststätte. Anstelle der alten Mitterberg-Alpe-Hütte wurde ein gemauerter Bau errichtet, bestehend aus einer Küche und einem Gastzimmer im Erdgeschoss und zwei Gästezimmern im ersten Stock. Die Gaststätte erhielt den Namen „Alpenwirtschaft Mitterberg“ und war in erster Linie als Ausschank für die vielen am Mitterberg arbeiteten Bergknappen gedacht. Dieser alte Baukörper ist heute noch im Gebäude des Arthurhauses integriert, das nach vielen Um- und Zubauten zur heutigen Größe wuchs.
Ab 1894 pachtete die im Jahre 1866 in Jochberg in Tirol geborene Therese Haggenmüller die Alpenwirtschaft Mitterberg und heiratete 1895 den vom Radochsberg in Rußbach bei Abtenau stammenden Peter Radacher I (geb. 1867). Der Ehe entsprossen drei Kinder: Peter 1896, Josel 1898 und Therese 1900. Ab 1894 war die Alpenwirtschaft auch Bergführer- und Trägerstation zur Bezwingung des Hochkönigs.
Im Jahre 1921 erfolgte wieder ein Umbau des Gasthauses. Dieser Umbau erfolgte über Auftrag des damaligen Hauptaktionärs der Mitterberger-Kupfer-Aktiengesellschaft, des Berndorfer Industriellen Arthur Krupp. Die alte Bezeichnung Alpenwirtschaft Mitterberg wurde zu Ehren von Arthur Krupp in Arthurhaus umbenannt.
Peter Radacher I gründete 1923 am Arthurhaus die erste Skischule des Landes Salzburg. Beim Umbau des Arthurhauses im Jahre 1935 wurde dem Gebäude statt der bestehenden Mansarden ein Vollstock aufgesetzt, die Zimmer wurden verkleinert und mit fließendem Kalt- und Warmwasser sowie einer Elektroheizung versehen. Im Jahre 1952 wurde der erste Schlepplift auf der Übungswiese zum Langen Moos errichtet. Zusammengebastelt aus einem alten Elektromotor, einem Jeep-Differential und einem gummigefütterten Panzerrad. 1966 und 1967 erfolgte ein umfangreicher Zubau zum bestehenden Arthurhaus, mit Küche, Speisesaal und Gästezimmer im 1. und 2. Stock. Im Jahre 1986 wurde ein weiterer Ausbau durchgeführt.
Vor 55 Jahren, am 20. März 1967, wurde das Arthurhaus am Mitterbergsattel auf der Südseite der Mandlwänd von einer mächtigen Staublawine zerstört. Wie durch ein Wunder gab es in dem damals in der Karwoche vollbesetzten Berghotel nur eine Verletzte!
Der heute 92-jährige Peter Radacher (III.), Seniorchef vom Arthurhaus, Alpinist und Chronist, schildert die Ereignisse von damals wie folgt:
Bei allen vorherigen Lawinenabgängen von den Mandlwänd wurde das Arthurhaus selber nie in Mitleidenschaft gezogen. Die Nacht des 20. März 1967 aber änderte unsere Einschätzung um die Sicherheit des Hauses.
Zwei Meter und 9 Zentimeter Schnee fielen in den letzten fünf Tagen auf eine fest gefrorene Harschschicht. Die Gesamtschneehöhe betrug 2.80 Meter. Um 22.30 Uhr schlug eine Staublawine in das voll besetzte Arthurhaus, zertrümmerte den nordseitigen Giebel, zerstörte den alten Stiegenaufgang sowie den Großteil des zweiten Stockes und riss den gemauerten Vorbau und den Stützpfeiler des Neubaues weg. Acht Zimmer des zweiten Stockes waren mit fest gepresstem Lawinenschnee gefüllt. Nur dem Umstand, dass der ab dem ersten Stock noch im Rohbau stehende, im letzten Jahr errichtete Zubau zum alten Haus als Widerlager diente, war es zuzuschreiben, dass der aus Holz gezimmerte zweite Stock des Altbaues nicht komplett weggerissen wurde. Der Holzaufbau des zweiten Stockes wurde an seiner Nordseite auf der Mauerbank um einen halben Meter seitlich verschoben!
Ein Vordringen im
Haus zu den in ihren Zimmern eingeschlossenen Gästen war wegen des
eingedrungenen Lawinenschnees im Stiegenhaus und in den Gängen nicht möglich.
Das Wasser aus zerrissenen Leitungen sammelte sich im Erdgeschoss, alle
Elektroleitungen im Altbau waren ebenfalls zerstört, es herrschte totale
Finsternis.
Wir mussten uns daher von außen, durch die nicht mehr vorhandenen Fenster in
die Zimmer schaufeln. Der Lawinenschnee lag bis zum zweiten Stock, die Fenster
waren ein weißer Fleck im schwarzen Holz, der Schnee in den Zimmern so fest
gepresst, dass man ihn mit den Schaufeln kaum durchstechen konnte, immerhin
krachte die Lawine mit einer Geschwindigkeit von ca 300 Stundenkilometern an
das Haus! Ich wusste wo die Stirnseite der Betten war, so grub ich
dorthin einen Kanal, bis ich den Kopf des Verschütteten erreichte. Wenn dieser
noch atmete, gruben ihn andere Helfer weiter aus und ich versuchte mein Glück
beim nächsten Bett.
Im
östlichen Eckzimmer drang der Schnee, nachdem das Dach weggerissen wurde, von
oben in das Zimmer ein. Ein Gast stand vor dem Bett und wurde in den Kasten
geschleudert, wo er bis zum Hals im Schnee einbetoniert wurde. Um schneller in das Zimmer zu gelangen schnitt ich mit der
Motorsäge vom Nachbarzimmer aus ein Loch durch die Wand, genau dort, wo der
Mann gegenüber im Kasten steckte und sich nicht rühren konnte.
Durch den Lärm der Motorsäge war sein Schreien nicht zu hören, er muss wohl Höllenqualen erlitten haben, der Lawine entronnen aber mit der Säge zerstückelt zu werden! Nun, ich war vorsichtig, schnitt mit dem Sägeblatt nicht zu weit in das Nachbarzimmer, der Mann wurde ohne Schnittverletzung geborgen.
Mit Ausnahme dieses Opfers waren alle anderen Personen schon im Bett und hatten unter der Decke doch etwas Wärme und Frischluft. Die beiden, an der Nordseite des Hauses gelegenen Toiletten waren bis zum letzten Winkel voll mit Schnee gepresst. Hätte sich hier eine Person aufgehalten, so wäre es dieser nicht mehr möglich gewesen, auch nur einen Finger zu rühren!
Wieviel Glück im Unglück wir alle hatten belegt die Geschichte unseres Küchenmädchens Roswitha. Sie schlief unter dem nordseitigen Giebel in einem Personalzimmer, als der Luftdruck das Dach über ihrem Bett weg riss. Im Sog der Lawine wurde Roswitha aus dem Bett gehoben und über 10 Meter weiter auf das Dach geschleudert, im Nachthemd und ohne einen Kratzer. Ich saß zum Zeitpunkt des Lawinenabganges bei Gästen im Speisesaal als uns der durch die Fenster eingedrungene Schnee quer durch den Saal beförderte. Finsternis und Geschrei, durch das eingeschlagene Thermofenster tastete ich mich nach draußen und vom Dach vernahm ich im Schneesturm das Schreien der Roswitha, die fast nackt und bis zum Hals im Schnee steckte.
Nach 3 ½ Stunden hatten wir die siebente und damit letzte Vermisste auch noch lebend geborgen. Sie war im Holzgebälk des Dachstuhles eingeklemmt und erlitt eine Beckenprellung, als einzige schwerere Verletzte dieser Katastrophe.
Das Unglück geschah in der Osterwoche und es war nicht auszuschließen, dass auch andere Personen außerhalb des Hauses zu Schaden kamen. Glücklicherweise wurde am nächsten Tag niemand als vermisst gemeldet. Eine Gruppe Lehrer aus dem Hochkeilhaus verdankte ihr Leben der zu spät zum Kassieren gekommenen Kellnerin Kathi. Hätte sie nur eine Minute früher kassiert, so wäre diese Gruppe vor dem Haus, auf der alten Straße gewesen, ohne eine Überlebenschance.
Zum Glück für die meist schon bewusstlosen Opfer hatten wir drei Ärzte im Haus, einer hatte alle benötigten Medikamente, wie Antischockspritzen etc. in seiner Tasche. Wir hatten zu dieser Zeit nur unsere Eigenstromversorgung. Die Blechtüre zum Transformator im Garagentrakt war nach außen angeschlagen. Die Lawine drückte sie nach innen, genau vor dem Transformator, der durch die Türe geschützt intakt blieb. Durch getrennte Stromkreise war es möglich, die Küche und damit auch den Ölbrenner mit Strom zu versorgen. Mit Licht und Wärme und mehreren Matratzen wurde die Küche zum Notlazarett. Wir gruben die Verschütteten aus und die Ärzte brachten diese wieder auf die Beine.
Im Gegensatz zum Lawinenunglück vom 19. Februar 1916 löste sich diese Lawine etwas weiter westlich unterhalb vom Schneeklammkopf am Jagerriedl und erreichte durch das Lahntal das Arthurhaus und das Griesfeld.
Gertrude Höfler verbrachte als damals 21-jährige Studentin
mit ihrer Familie wie jedes Jahr die Karwoche zum Schifahren auf dem Arthurhaus
und wurde in ihrem Zimmer von den Schneemassen verschüttet. Sie schildert das
Geschehen wie folgt:
„Meine Eltern und meine Geschwister verbrachten bereits ein paar Tage am
Mitterberg und ich reiste erst an diesem Tag, einem Montag, an. Es hat den
ganzen Tag stark geschneit und es lag sehr viel Schnee. Am Abend habe ich
bereits geschlafen, als ich gegen 22.30 h durch einen lauten Knall geweckt
wurde und durch die geborstenen Fenster der Schnee in mein Zimmer gedrückt
wurde. Ich wurde in meinem Bett unter
meiner Tuchent von den Schneemassen begraben. Ich fühlte mich wie
einzementiert, war aber zum Glück durch die Matratze und die Bettdecke vor der
Kälte geschützt und hatte Luft zum Atmen. Peter Radacher hat mich und viele
andere seiner Gäste eigenhändig ausgeschaufelt und gerettet! Ein Gast wurde
durch den Druck in einen Kasten geschleudert. Ihn hat er mit einer Motorsäge
herausgeschnitten.
Das Haus war in der Karwoche voll belegt. Es gab wie durch ein Wunder keinen Toten und nur eine Verletzte mit einer Beckenprellung. Es war eine Küchenhilfe und sie hat in ihrem Zimmer im Dachgeschoß geschlafen, als der Luftdruck der Lawine das Dach über ihrem Bett weg riss. Sie wurde durch den Sog 10 Meter weit aus dem Haus geschleudert.“
Peter Radacher berichtet weiter:
Zum Schluss dieses Lawinenkapitels möchte ich noch von einer nicht leicht zu
glaubenden, aber durch Zeugen bestätigten wahren Begebenheit erzählen. Um drei
Uhr früh, der letzte Verschüttete war schon längst von uns geborgen, stürmten
einige Männer der Feuerwehr Bischofshofen in den zur Hälfte mit Schnee
gefüllten Speisesaal. Die Männer mussten bereits ab Mühlbach zu Fuß gehen und
konnten sich zumindest gedanklich auf ihren Lawineneinsatz vorbereiten.
Trotzdem begannen sie, ohne lange zu fragen, das bereits auf einigen noch
intakten Tischen stehende Frühstücksgeschirr mitsamt den Tischtüchern durch die
zerschlagenen Fenster hinaus in den Schnee zu werfen. Als schließlich noch
einer begann, mit seiner Schneeschaufel wie wild auf eine noch ganz gebliebene
Thermoglasscheibe einzuschlagen, trat ich dazwischen. Auf mein Einschreiten hin
löste sich anscheinend der Knoten in den Gehirnen der Feuerwehrler mit der
entwaffnenden Feststellung: “Ah ja, es brennt ja nicht!“
Die zwischen dem Arthurhaus und der Kreuzberghütte stehende alte Almhütte (Hohlbichlhütte), die zuletzt als Waschküche und Sauna diente, wurde ebenfalls zerstört. Der Firstbaum dieser Hütte trägt die Jahreszahl 1866 und ist jetzt in der Bar des Arthurhauses eingebaut. Genau 100 Winter ließ die Lawine diese Hütte in Frieden.
Dieser Bereich zwischen den Vierrinnenköpfen, gut 800 Höhenmeter über dem Mitterbergsattel und dem Arthurhaus, ist bei ungünstigen Verhältnissen u.a. der Nährboden für Lawinen.
Eine außergewöhnliche Lawinensituation im Jahr 2009 beschreibt Peter Radacher in seiner Chronik wie folgt:
"Eine extreme Schneesituation führte in den Tagen vom 23. bis 25. Februar 2009 zu bisher an Intensität noch nicht gekannten Lockerschneelawinenabgängen aus allen bekannten Lawinenstrichen der Mandlwand. Der Schneezuwachs erfolgte über einen Zeitraum von nahezu 15 (!) Tagen in verhältnismäßig „kleinen“ Dosierungen. Insgesamt fielen in dieser Zeitspanne aber immerhin 231 cm Schnee, davon 121 cm in den letzten 48 Stunden. Es blieb während der ganzen Zeit kalt, der Schnee setzte sich nur langsam! Außerdem war die Altschneeschicht darunter äußerst labil (Schwimmschnee lt. Schneeprofil), sodaß einige der Lawinen bis zum Boden durchgriffen. Man ersieht daraus, dass nicht nur ein massiver Neuschneezuwachs in kurzer Zeit zu Lawinenabgängen führen kann."
Mankeigrabenlawine:
Erster Abgang am 24.2.2009: Bekannter Abriß an der Leeseite (Ostseite) des Jagariedels. Die „übliche“ Bahn mit „Anwandeln“ an die Mankeigraben-Westseite, dann weiter in Richtung Arthurhaus- Parkplatz.
Zweiter Abgang am 25.2.2009: Abbruch im obersten Teil der Vierrinnen. Im Latschenbereich teilt sich die Lawine. Ein Teil rutscht in den Mankeigraben und durch diesen, über die erste Lawine weiter über Jagahäusl und Parkplatz bis in den Querdamm oberhalb der Kreuzberghütte. Lawinenschnee noch hinter dem Wall vor den Fenstern der Hütte!
Der Hauptteil dieser Lawine fließt durch die drei Gräben zwischen Mankeigraben und Kuhboden. Die Lawine verschüttet den Mahdlift und wirft eine große Menge an Bäumen in die Kreuzbergmahd.
Nach dem Lawinenunglück vom März 1967 wurde das Arthurhaus wiederaufgebaut und die bestehenden Lawinendämme auf das heutige Ausmaß erweitert. Sie hielten seither allen Lawinen Stand. Vielen Dank an Peter Radacher sen. für seine umfangreiche und detaillierte Dokumentation der Lawinenereignisse am Mitterberg und an Gertrude Höfler für den authentischen Bericht und das Bildmaterial!
Gerd Frühwirth, März 2017