Spätestens seit risikoreiche alpine Unternehmungen in den Bergen untersagt sind, spüren nicht nur die Bergsteiger unter uns, dass wir eine Sehnsucht nach ihnen haben. Vermutlich nicht nach den Bergen des Massentourismus und des Ballermann, sondern eine Sehnsucht nach der zeitlupenartigen Ruhe der unberührten Natur, die sich vor uns Menschen immer mehr in größere Höhen zurückgezogen hat. Jetzt allerdings breitet sich die Stille wieder aus – in der Natur, und bei vielen auch daheim.
Der Österreichische Alpenverein möchte Sie ein wenig beim Träumen unterstützen. Daher werden wir Ihnen in nächster Zeit besondere Schauobjekte aus unserem Depot vorstellen.
Was eignet sich besser zur Eröffnung unseres virtuellen Museums als eines unserer wertvollsten Objekte “Wiesbachhorn”. Das Ölgemälde des aus England gebürtigen Malers Edward Theodore Compton ist ein Meisterwerk aus dem Jahr 1911. Berge waren damals noch nicht Spielwiesen für Massentourismus, aber ihr Reiz bekam zu jener Zeit Oberhand über die Furcht. Eine spannende Herausforderung für die Upper Class, die im “bewohnbaren” Bereich in gewisser Sicherheit lebte und in den Alpen den “Kick” suchte.
Compton wirft einen Blick auf die überwältigende Bergwelt des Glocknergebietes. Trotz seiner realistischen Art der Naturdarstellung mit hoher topografischer Genauigkeit spüren wir die Faszination, die der Künstler beim Anblick der gewaltigen Natur empfunden haben muss:
Wir fühlen die kühle Brise, wir hören das ferne Rauschen des Gletscherbaches, wir inhalieren den Duft von feuchtem Gras. Das Bild zieht uns in seinen Bann. Gönnen wir uns ein paar Minuten Zeit, um in diese Naturlandschaft zu versinken und uns daheim weniger gefangen zu fühlen!
Text: Ingrid Hayek, Vizepräsidentin Österreichischer Alpenverein (Aufgabenbereiche: Kultur, Wissenschaft, ÖAV-Gletschermessdienst, EUMA)
Gemälde: "Wiesbachhorn" von Edward Theodore Compton (© Alpenverein-Museum, OeAV-Kunst 2647)