Im Juni 1946 bereits bewogen Luis Dürminger d. J. als ehemaliger Jungmannschaftsführer und lng. Helmut Katz den eben aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft heimgekehrten KURT HOFER in Knittelfeld, neuerlich eine Jungmannschaft zu gründen. Damals 24-jährig und Mitglied der Grazer ÖAV-Jungmannschaft sowie der Bergwacht, gelang es 'ihm in kurzer Zeit, eine Schar junger Bergsteiger zusammenzuführen. Im ,,Vereinslokal" Gasthof Rath in Knittelfeld trafen sich neben den oben Genannten noch Grafeneder, Zechner, Londer, Wagner, Herbst, Gruber, Winter, Maurer und die große ,,Bergsteigerfamilie Schlapschi" (gleich fünf von diesen waren bergsteigerisch belastet), um die Grundbegriffe des richtigen Bergsteigens kennenzulernen. ln den allwöchentlich abgehaltenen Heimabenden wurde die Ausbildung der Jungmannschaft gepflogen, was in Ermangelung eines eigenen Heimes immer wieder zu Schwierigkeiten führte. Die Standorte mußten wiederholt gewechselt werden, weil die JM zuwenig konsumierte, der Genuß von Alkohol und Nikotin war strikte verboten. Auch mit dem Mangel an Geldmitteln und Ausrüstungen mußte damals schwer gekämpft werden, aber trotzdem oder gerade deshalb sind gemeinsame Bergfahrten, die von den heimatlichen Bergen bis zu den Eisriesen der Westalpen geführt haben, den damaligen Teilnehmern zu unvergeßlichen Erlebnissen geworden. Man kann sich heute die zu überwindenden Schwierigkeiten aller Arten, wie die Beschaffung der Kosten für die Bahnfahrt, für die Lebensmittel und die Einreiseerlaubnis auch nur in die Schweiz in den vierziger Jahren gar nicht mehr vorstellen.
Aber es galt damals mehr als 'heute das Wort von den Schwierigkeiten, die nur da sind, um 'überwunden zu werden. Dies galt besonders von dem JM-Mitglied Kurt Stettin, welcher als Oberschenkelamputierter die schwierigsten Berg- und Kletterfahrten mitgemacht hat. Sodas damals noch nicht mit einer Seil-bahn erreichbare Kitzsteinhorn, den Kalbling Südgrat und neben einer weiteren Anzahl heimatlicher Gipfel als Krönung das Matterhorn! Diese Leistung, ·als erster einbeiniger Mensch dort oben gewesen zu sein, hat Sogar in der uns damals nicht gerade sehr freundlich gesinnten Schweiz Aufsehen und Bewunderung erregt und sogar Einladungen zur Folge gehabt.
Im August 1949 wurde das Matterhorn von Kurt Stettin zum zweiten Mal erstiegen und mit Hubert Schlapschi und Kurt Hofer eine Monte-Rosa-überschreitung durchgeführt, sowie das Breithorn und das Kleine Matterhorn erstiegen. Kurt Stettin war damals nach Bruno Hintersteller der zweite Oberschenkelamputierte am Monte Rosa! lng. Kurt Stettin lebt heute als Stadtbaumeister in Leoben.
Die zahllosen Bergfahrten der damaligen Jungmannschaft der Sektion in die Dolomiten, zum Ortler, ins Zillertal, in die Stubaier, in den Wilden Kaiser, zum Kaunergrat und vielen anderen näher gelegenen Bergen brachte es mit sich, dass sich die Jungmannen auch in den Westalpen ebenso zu Hause fühlten und dort Bergfahrten durchführten: in den Wallisern, im Berner Oberland, im Mt. Blanc Gebiet und in den Juliern.
An AUSSERGEWÖHNLICHEN BERGFAHRTEN gelangen folgende Begehungen:
10. 11. 1940
Hochlantsch-Westwand, 2. Begehung, Schlacher, Fischer, K. Hofer (V)
25. 10. 1941
Gößeck-Nordgrat, 1. Begehung, Kurt, Norbert, Hermann Hofer (lV)
15. 8. 1947
Sparafeld-Finger-Südkante, 3. Begehung, Rudi Herbst, Kurt Hofer (VI)
17. 8. 1947
Kalbling-Westwandrisse, 2. Begehung, Rudi Herbst, Kurt Hofer (VI—)
6. 6. 1948
Totenköpfl Südwand dir., 2. Begehung, Herbert und Karl Schlapschi (V +)
13. 6. 1948
Totenköpfl unmittelbare Südwand, 3. Begehung, Grete Klocker, Rudi Herbst (V +)
7. 1948
Bischofmütze-Südostkante, 3. Begehung, Leo Forstenlechner, Hubert Schlapschi (\ii)
7. 1948
Bischofsmütze-Südostkante, Wegänderung, 1. Begehung, Leo Forstenlechner, Hubert Schlapschi
21. 11. 1948
Admonter Reichenstein, Südverschneidung, 2. Begehung, Rudi Herbst, Hans Steininger (VI—)
20. 2. 1949
Totenköpfl unmittelbare Südwand, 1. Winterbegehung, Rudi Herbst, Sepp Gruber (V +) mit Abstieg Totenköpfl, O-Grat
9. — 10. 8. 1950
Stenar-Nordostwand, 1. Begehung, Rudi Herbst, Rado Kocevar (VI)
7. 1952
Wetterhorn-Nordwand-Pfeiler, Pargäzzi-Bergführer Hans Gruber t (VI)
30. 8. 1955
Mt. Styria, Alaska, 1. Begehung, Hans Gsellmann, Hubert und Hans Schlapschi
28. 12. 1956
Kalbling-Südverschneidung, 1. Winterbegehung, Luis Eisl, Rudi Herbst (V)
16. 6. 1968
Gamskögel-Ostgrat — Einstiegsvariante ,,Knittelfelderweg", 1. Begehung, Siegbald Zeller, Willi Ahrenpatzer, David Mayer (V —)
11. 8. 1969
Noshaq (Hindukush), 7500 m, Manfred Kosi, Peter Gößmann
29. 5. 1971
Planspitze-Nordostwand (zwischen NO-Wand und NO-kante, 1. Begehung, Gottfried Gassner, Siegbald Zeller (lV)
Wenn auch die vorstehende Aufzählung nur die ersten bis dritten Begehungen enthält und nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben darf, zeigt sie deutlich einen wesentlichen Umstand auf: die meisten und schwierigsten Touren erfolgten in Zeiten des Mangels an Geld und Gut, aber in Höhenzeiten des Idealismus. Es bedurfte nur eines befähigten Mannes, der in den anderen ihre Fähigkeiten erschließen konnte und verborgene Wunschträume wachrief. Es bedurfte nur des selbstlosen Willens, auch andere Menschen an der Wunderwelt der Natur und dem Erleben in den Bergen teilnehmen zu lassen.
Aber dafür steht dann über allem das gemeinsame Erlebnis!
Und ohne Scheu wollen wir immer derer gedenken, die aus Liebe zu den Bergen, mit allen ihren Licht- und Schattenseiten,
ihr Leben hingaben, und wie wir sie bereits in die Chronik der Sektion aufgenommen, haben.
BERG HEIL!
Quelle: (ÖAV Sektion Knittelfeld - Festschrift 50 Jahre, 1921 - 1971)
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