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Rede von Robert Renzler (Rede von Robert Renzler)

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Rede von Robert Renzler

bei der Jubiläumsjahreshauptversammlung anlässlich 150 Jahre Sektion Imst-Oberland am 29. April 2022 in Tarrenz

Robert Renzler
Robert Renzler und Tini Gastl

Sehr geehrte Vertreter der Politik, hochgeschätzte Ehrengäste, werter Sektionsvorstand, liebe Alpenvereinsfamilie,

Am 9.2.1872 erblickte unser Jubilar, die Sektion Imst-Oberland, das Licht der Welt. Diese Sektion ist ein Monument einer Erfolgsgeschichte, die getragen vom Idealismus von Menschen und ihrer Liebe zu den Bergen durch eineinhalb Jahrhunderte die Wirren der Geschichte durchwanderte und heute glänzender denn je sich uns darbietet. Es freut mich ganz besonders, dass ich als Festredner ein paar Worte an Sie richten darf, da mich gerade mit dieser Sektion über viele Jahre prägende Erlebnisse und gemeinsames Schaffen verbunden haben. Einmal war dies die Genese von Imst als Mekka des Klettersports impulsgebend für die weltweite Entwicklung, getragen von Helmut Knabl und seiner Familie und Mike Gabl als Spiritus rector der damals modernsten Kletterhalle Österreichs und weit darüber hinaus.

Und dann war es der Neubau der Muttekopfhütte am Beginn meiner Zeit als Generalsekretär des Alpenvereins. Der damalige Vorstand mit Markus Welzl an der Spitze hatte mit persönlichen Bürgschaften Kredite aufgenommen und dadurch erst dieses Bauwerk, das für so viele Bergsteiger und Kletterer zur zweiten Heimat wurde, ermöglicht. Ein hehres Zeugnis für uneigennütziges Risiko und Leidenschaft für die Sache, Merkmale, die die Sektion und den Alpenverein als Ganzes prägten und zu dem machten, wie er sich heute darstellt.

Und der Versuch eines Nachspürens in die Geschichte und Gegenwart des Vereins, sein Verhältnis zur Bergwelt und den Menschen, seine Aufgaben und Werte, die ihn ausmachen, soll Inhalt meiner Rede sein.

Wir leben in bewegten, ja dramatischen Zeiten. Gerade dann, wenn der Horizont sich dunkler zeigt, wird es umso wichtiger in innovativer Jugendarbeit jungen Menschen einen Zugang in die Welt der Berge zu ermöglichen, ihnen jene edlen Räusche intensivster Naturerfahrung zu vermitteln, von denen der unvergessene Bischof Reinhold Stecher sprach. Gemeinschaft zu leben, Toleranz zu üben und Solidarität zu verstehen sind Werte, die sich unmittelbar in diesem Erleben manifestieren.

Zu den ganz besonders wertvollen Gaben, die uns die Berge in ihrer selbstlosen Freizügigkeit schenken, gehören das Erleben von Zeit, Ruhe und Stille. Gaben, die in unserer irrlichternden, Tag und Nacht erleuchteten und lärmvibrierenden High-Speed-Welt gleichsam auf der Liste der bedrohten Arten stehen.

Zeit, um zu uns selbst und damit zum Nächsten zu finden

Ruhe, um über der Begrenztheit unseres Daseins und der wirklich wichtigen Dinge des Lebens bewusst zu werden

Stille, um wieder die Stimme der Berge und der Natur vernehmen zu können.

Und diese Sprache der Natur ist eine zeitlose. Ihre Botschaft klang tief und bewegte die Gründer des Österreichischen 1862 und 7 Jahre später des Deutschen Alpenvereins Grundsteine zu legen für eine später weltumspannende Bewegung.

Wohl kaum jemand vermochte damals zu ahnen, welche Breite und Tiefe, diese Organisation mit ihren Ideen gewinnen sollte, Bergsteigen als Lebensgefühl für Millionen von Menschen. 4 Jahre nach den ersten zarten Anfängen schon beschlossen die beiden Vereine zusammenzugehen und fortan im Deutsch-Österreichischen Alpenverein zum Wohle des Bergsteigens tätig zu werden.

Und die Zeit von 1874 bis zum Ersten Weltkrieg war eine ungemein fruchtbare in der Geschichte der Vereine. Über 300 Schutzhütten wurden errichtet, ein Netz von Wegen erleichterten den Zustieg in die Berge und schon 1910 gehörten mehr als 100.000 Menschen dem Alpenverein an, was im damaligen Umfeld eine enorme Zahl innerhalb der Vereinslandschaft darstellte. Mit dem Schicksalsjahr 1914 begann eine Zeit des unermesslichen Leidens. Der große Krieg zog eine blutige Trennlinie durch jene Berge, wo man vordem sich auf den Gipfeln die Hände gereicht hatte. Und als hätten jene Berge an Menschenopfern nicht gereicht, setzte sich das unsägliche Walten jener Männer, die einen letztlich katastrophalen Frieden schlossen, der den Grundstein für einen zweiten und noch viel schlimmeren Krieg legen sollte, fort. Und wie immer damals wie heute mussten die kleinen Leute ertragen, was ihnen auf der Tafel der Weltpolitik zubereitet worden war. Dem Alpenverein wurden Schutzhütten -viele waren durch die Kriegsereignisse zerstört- und Arbeitsgebiete in Südtirol entzogen. Und jener Dämon des Bösen, der die ganze Welt in Abgründe ziehen sollte, traf auch tief in das Herz des Vereins und trennte die Menschen von sich selber.

Der Alpenverein mit seiner Sektion Imst Oberland hat die Prüfungen bestanden, die ihm die irrationalen Mäander des Zeitenstromes auferlegten, zweifelnd in den Stunden großer Not aber nie verzagend im Verfolgen einer großen Idee.

Als sich dann 1945 große Teile Europas zerbombt und verwüstet und sich um mit Hannah Arendt zu sprechen, im Mittelalter wiederfanden, geschockt durch ein nie gekanntes Maß an geistigem Verfall und verbrecherischem Tun, erhob man sich aus dem Staub und ging an die Wiedergründung und den Wiederaufbau des Vereins. Und noch lange bevor Charles De Gaulle seine berühmte Rede an die deutsche Jugend als Geste der Versöhnung gerichtet hatte, proklamierte Guido Tonella und die Gemeinschaft der Bergsteigerinnen und Bergsteiger die europäische Seilschaft als Absage an die unseligen Botschaften des Nationalismus. Und wie immer in Zeiten großer Not zeigen sich die Menschen solidarischer, erkennen die Notwendigkeit gemeinsamen Handelns und des Zueinanderstehens besser als in Zeiten des Überflusses. Das Faszinosum des Abenteuers und die Majestät der Bergwelt lockten wie ehedem und das alte Spiel des Begegnens von Menschennatur und Bergnatur begann von Neuem, ungebrochen und anziehender denn je. Und dies ist auch heute wie damals die Aufgabe des Alpenvereins, diesen Begegnungsrahmen verantwortungsvoll, risikobewusst, unverfälscht und den nötigen Freiraum für Eigenverantwortung und tiefes authentisches Erleben belassend, zu gestalten. Er tut dies mit seinen Hütten und Wegen, den Kletterhallen und Klettergärten und dem Befähigen von Menschen sich im Gefahrenraum Berg kompetent zu bewegen. Dafür aber braucht der Mensch eine Natur, die nicht verbaut und inszeniert wird, die sich so zeigt wie sie die Kräfte der Erde und die Evolution in Jahrmillionen geformt haben: in Größe und Wildheit, in Zerbrechlichkeit und manchmal auch zerstörerischer Unerbittlichkeit, in maßloser Schönheit und ergreifender Sanftheit. Die Ursprünglichkeit und Schönheit dieser unserer Bergwelt zu bewahren, haben die Gründer gefordert und später als Auftrag für uns in die Satzung geschrieben. Dieser sind wir verpflichtet und eine Zeit, die die Wurzeln zu ihrer eigenen Mutter Erde gleichgültig und fast seelenlos durchtrennt hat, fordert besonderen und wie es immer öfters scheint, letzten Einsatz.

Viele Zeichen der Zeit stehen auf Sturm. Maßlosigkeit und Gier als Leitwerte der Gesellschaft bestimmen unser wirtschaftliches Handeln, das Fortschreiten wird zum Ziel eines Fortschritts, der sich selbst genügt und nicht mehr das Humanum und dessen Werte als Leitbild ins Zentrum seines Tuns stellt. Und obwohl die Zahl der Menschen ständig zunimmt, pflegen wir einen Lebensstil, der ein Vielfaches von früher an Energie und Ressourcen verbraucht. Europa handelt aktuell so als stünden nicht eine sondern 3,2 Erden zur Verfügung. Der Landschaftsverbrauch steigt und steigt ungeachtet der Tatsache, dass Natur nicht vermehrbar ist. Und so betreiben wir Mundraub an der Zukunft unserer Kinder und an den Menschen der dritten Welt, wo uns doch zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit die technischen, kommunikativen und logistischen Möglichkeiten in die Hand gelegt wären, in dieser Welt die Ideale der Aufklärung, Solidarität, Gerechtigkeit, Freiheit und damit einhergehend die Würde des Menschen global umzusetzen.

Anstelle beschleichen uns Zweifel, ob das heraufdämmernde gelobte digitale Zeitalter nicht auch unreflektiert in die Totalität der Überwachung und Fremdsteuerung mündet, wie es in China bereits begonnen hat.

Der Alpenverein jedenfalls kann und muss dagegenhalten, indem er den Menschen in eine Welt führt, die von Unmittelbarkeit und Wahrheit geprägt ist. Eine Welt, die sich uns wie schon vor 150 Jahren zeigt, wenn wir auf den Gipfeln stehen und uns die Hand reichen. Der Blick richtet sich auf einen unverstellten fernen Horizont, wo Wolken und Bergketten in Eins verschmelzen. Wir spüren die Liebkosung der Sonne im Gesicht, hinter uns liegt die Kälte des Gletscherbruchs im halbdunklen Morgen und wir stiegen über den schwindelnden Grat herauf spürend, dass Gipfel und Abgrund Brüder sind ebenso wie das erfüllte Leben und der verstandene Tod sich als Schwestern offenbaren. Wir fühlen mehr als wir sie sehen eine Welt, die sich unverhüllt in Größe, Würde und Majestät zeigt und zur Demut vor der Schöpfung mahnt. Und wir verstehen, was Hesse meint, wenn er sagt: „Die Welt zu verstehen, sie zu erklären, sie zu verachten, mag großer Denker Sache sein. Mir liegt einzig daran die Welt lieben zu können.“

Die Liebe zu dieser Welt und die Sorge um die Berge-Steigenden soll uns in allen Entscheidungen leiten. Dann können wir sicher sein, jene einzige, große Verirrung zu vermeiden, die den Alpenverein in seiner Geschichte fehlgeleitet hat und die geboren aus einer Ideologie des Hasses war, wie sie auch heutzutage wieder aus den politischen Programmen und sozialen Netzen schwappt.

Wir wollen einen Freiheitsbegriff leben, der von der Verantwortung für die Gesellschaft und ihren Menschenrechten, den Erhalt unserer Natur und ihrer Artenvielfalt bestimmt und getragen wird. Die Welt der Einheitsmeinung, Schulterklopfer und Glattgebügelten möge nicht die unsere sein. Für die Ideale des Vereins ohne allzu viele Kompromisse einzutreten, fordern seine Werte und eine Natur, die in nie gekanntem Ausmaß ausgebeutet und geknechtet wird.

Und so ist es mir am Ende meiner Rede angelangt ein tiefes Bedürfnis im Namen der Alpenvereinsgemeinschaft der Sektion Imst-Oberland und ihrem gesamten Vorstand aus tiefem Herzen zu danken für ihre unverbrüchliche Freundschaft, für das Zueinanderstehen und für ihr vorbildhaftes Umsetzen unserer gemeinsamen Ideale und Vereinsziele.

Und für all jene, die still und leise die Menschen in die Berge führen, die Wege richten, die sich um die Jugend kümmern und deren Seele noch in Zorn und Trauer schreit, wenn wieder einmal ein Anschlag auf die Unversehrtheit der Bergnatur geplant ist, darf ich für sie alle hier im Saal ein Lobes- und Dankeslied anstimmen. Sie sind Herz, Seele und Rückgrat des Vereins! Denn es sind genau diese Menschen, die jene beglückenden “Tage draußen“ in der Bergnatur vermitteln und ermöglichen.

Tage, die einer Gesellschaft Hoffnung spenden können, die durch die Pandemie, durch Kriege, durch die ökologischen existenzbedrohenden Krisen und durch den Verlust von bislang haltgebenden Werten und Gewissheiten zunehmend traumatisiert und sich selbst entfremdet wird.

Tage, in denen man Erfüllung findet ohne erst begehrt zu haben.

Tage, die von der Wahrheit und Verbundenheit allen Seins zeugen, wohl ganz im Sinne des griechischen Dramatikers Sophokles, der schon vor fast 2.500 Jahren bekundete: „Nicht zu hassen, sondern zu lieben sind wir da!“

Und mit diesen wunderbaren Worten in der Hoffnung, dass sie möglichst bald auch im Osten Europas Gehör finden und in der Gewissheit, dass die Aufgaben und Bestimmung des Alpenvereins aktueller denn je sind, darf ich Sie bitten das Glas in die Hand zu nehmen und auf das Wohl unserer alten, ehrwürdigen und doch so jungen und vor Vitalität strotzenden Sektion Imst-Oberland anstoßen.

 
 
 

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