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Anspruchsvolles Handwerk

Viel Mühe und Geduld kostete die Panoramazeichner des 19. Jahrhunderts eine möglichst naturgetreue Wiedergabe. Denn die damals gehandelten (Falt-)Panoramen waren für Wissenschaftler und Bergsteiger gedacht. „In erster Linie“, schrieb der Schweizer Geologe und Panoramazeichner Albert Heim (1849–1937), „soll das Bild wahr sein, d. h. richtig, getreu.“ Das zwang die Zeichner dazu, oft stundenlang bei eisigem Wind auf ihren Aussichtspunkten auszuharren. Den Blick fürs Schöne bewahrten sie sich trotzdem. Um auch „künstlerischen Anforderungen gerecht zu werden“, empfahl der Naturwissenschaftler Johannes Frischauf (1837–1924), den interessantesten Punkt in die Bildmitte zu setzen.

{Esther Pirchner, in „Pano(d)rama auf der Kreuzspitze. Franz Senns Ärger mit Charles Brizzi“, hg. erbe kulturraum sölden, 2018}



Rundum Berge. Faltpanoramen oder „Der Versuch alles sehen zu können“

von Anton Holzer {Rundum Berge Faltpanoramen_korrMiGu}

Die Eroberung des Gebirges ist – entgegen einem gerne kultivierten Mythos – nicht nur das Ergebnis der körperlichen Anstrengung der frühen Alpinisten, sondern wohl ebenso sehr und vielleicht noch viel mehr, das Ergebnis eines immer wieder eingeübten Blicks. Das Gebirge entdecken heißt auch: das Gebirge sehen lernen. Diese Schule des Blicks, durch die sowohl ganze Bergsteigergenerationen als auch Scharen von Sommerfrischegästen – und später auch Halbschuhtouristen – gegangen sind, hat sich freilich schon sehr früh gelöst von der wirklichen Ersteigung höchster Gipfel und Anhöhen, vom Erreichen vorgeschobener Anstiegswege und Schutzhütten. Sie hat sich zuallererst abseits der Berge, im Tal und in der Stadt entfaltet. Eingeübt in das “richtige” Sehen des Gebirges haben sich die Alpenbegeisterten des 19. Jahrhunderts mindestens ebenso durch Bücher, Bilder und Karten wie durch die wirkliche Erfahrung der Berge auf den Beinen. Aus dieser Nachfrage ist ein breites Sortiment an Angeboten erwachsen: Reise- und Wanderführer, Landschaftsansichten, Zeichnungen und Stiche, Souvenirs und Reiseandenken, Orientierungspläne und Wanderkarten, Ansichtskarten und Panoramen. Massenhaft vervielfältigt, gefaltet, handlich verpackt, damit sie in das Reisegepäck ebenso passten wie in den Rucksack. Die Mühe und die Einsamkeit, die das Gebirge verspricht, ließ sich mittels dieser Anleitungen auch daheim konsumieren, vor oder nach den Unternehmungen zu Fuß oder gar stattdessen.

Die Panorama-Ansichten dieser Ausstellung, die aus dem Bestand des Alpenverein-Museums Innsbruck stammen, stellen auf mehrfache Weise eine Art Wiederentdeckung dar. Zu sehen ist eine Sammlung von Bergbildern, deren Hochblüte im 19. Jahrhundert lag. Hervorgebracht wurden sie von einer Schaulust, die nach immer neuen Bildern und Eindrücken verlangte.

Die Ausstellung rückt am Beispiel der alpinen Faltpanoramen eine Bildgattung ins Zentrum der Aufmerksamkeit, die bis zur Gegenwart Blick und Wahrnehmung des Gebirges maßgeblich beeinflusst hat. Sie wirft entlang dieser Bilder aber auch ein neues Licht auf die faszinierende Vielfalt und Breite der Anliegen in der Frühgeschichte der alpinen Vereine. Sie zeigt deren Annäherung an das Gebirge als Ineinander von Erwanderung und Erschließung, Eroberung und Erkenntnis, Benennung und Bebilderung. Und schließlich ermöglicht dieser wiederentdeckte Fundus an Ansichten Einblicke in ein ebenfalls fast vergessenes grafisches Gewerbe, die Lithografie, das wie kein zweites die populäre Bildwelt des 19. Jahrhunderts und zweifellos auch die beginnende Aneignung des Gebirges im Blick der Touristen geprägt hat. Angesiedelt zwischen Industrie und Kunst, zwischen Massenvervielfältigung und detailbesessener Handarbeit, zwischen Wissenschaft und Ästhetik, ermöglichen die lithografisch hergestellten Panoramen auch einen spannenden Blick auf die mediale Einbettung der alpinen Eroberungszüge. Und schließlich zeigen diese Drucke, dass wissenschaftlicher Forschergeist und die Lust am Schauen, dass enzyklopädischer Anspruch, alles zu benennen, alles zu wissen und alles zu zeigen durchaus für einige Zeit mit der frühen touristischen Faszination des Gebirges einher gehen konnte. Die Wege der alpinen Begeisterung, die zu Beginn und um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch in ein und dasselbe Bild – etwa in jenes der alpinen Rundsichten – zu bringen waren, haben sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auseinanderentwickelt. Die Wissenschaft verlangte in der Darstellung des Gebirges nach immer präziseren Aufzeichnungen, dem touristischen Blick waren überraschende Effekte und ungefähre Darstellungsweisen wichtiger. Gegen Ende des Jahrhunderts begannen andere wissenschaftliche Aufzeichnungstechniken, wie die Fotografie, die zeichnerische Annäherung ans Gelände zu ergänzen und zu ersetzen. Der sich aus der bildungsbürgerlichen Alpinbegeisterung entwickelnde Massentourismus wiederum legte das ursprüngliche Bekenntnis zur Wissenschaft ab. Exakte Naturbeobachtung und die Lust am Berggehen und Bergschauen waren nicht mehr so leicht unter einen Hut zu bringen.

Die ersten Jahrbücher des Österreichischen Alpenvereins und des Schweizer Alpenclubs sowie die Zeitschriften des Deutschen Alpenvereins (später des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins), die seit Mitte der 1860er-Jahre erschienen, enthielten fast durchwegs jeweils ein oder mehrere ausfaltbare, gezeichnete und zum Teil kolorierte Gebirgsrundsichten von Aussichtspunkten der Alpen. Diese Faltpanoramen erlebten mit den rasch steigenden Auflagen der Jahrbücher bald eine weite Verbreitung innerhalb der alpinen Vereine und weit darüber hinaus. Hatte beispielsweise die Auflage der Zeitschrift des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins 1872 4.000 Stück betragen, so stieg sie bis 1895 auf 33.000 Stück an und erreichte 1908 ca. 78.000. Die gedruckte Auflage der Panoramen dürfte indes noch höher gewesen sein. Auf diese Weise trugen die Panoramen wesentlich dazu bei, das Gebirge nicht nur als Wandergegend zu erschließen, sondern vor allem auch als Gegend des Blicks. Diese Rundsichten beförderten das Gebirge noch vor dem Zeitalter der Massenfotografie in “handsamer und billiger” Form in die Stadt und machten das neuerlangte Wissen einem breiten Publikum zugänglich.


Das Gebirge in der Tasche

Im Schatten der großen Panoramengemälde, die an der Wende zum 19. Jahrhundert in vielen europäischen Städten zur modischen Attraktion geworden waren, entstand eine Reihe anderer Schau-Instrumente, die sich an ein neues seh-süchtiges Massenpublikum richteten. Dazu gehörte auch das Faltpanorama. Diese kleinen alpinen Rundsichten reduzierten gegenüber den “großen” Vorlagen, die in eigens dafür gebauten Rotunden zur Schau gestellt wurden, das Bildformat. Sie setzten statt auf das Monumentale auf Verkleinerung und Verdichtung. Im Vergleich zu den Schaustellungen der “großen” Panoramen hatte das ausfaltbare Panorama den Vorteil, den schweifenden Blick ohne zusätzliche Apparaturen eindrucksvoll zu inszenieren. Die kleinen gezeichneten Rundsichten antworteten auch auf ganz neue Anforderungen, die weit über die theatralische Inszenierung der großen Rundgemälde hinausgingen. Tatsächlich vereinte das Faltpanorama von Anfang an den wissenschaftlichen Anspruch, nämlich Einblick zu geben in die geologischen, morphologischen, geografischen und topografischen Geheimnisse der Alpenwelt, mit der Lust am Schauen. Zu Beginn seiner Erfolgsgeschichte Anfang des 19. Jahrhunderts, als in der Schweiz die ersten kleinen Gebirgspanoramen in Umlauf kamen, stand das Panorama als Hilfsmittel der wissenschaftlichen Erkenntnis noch in Konkurrenz zur populären Landschaftsmalerei, die bereits im Laufe des 18. Jahrhunderts mit ihren billigen, schablonenhaften Ansichten einen wachsenden touristischen Markt versorgten. Die Käufer und Betrachter dieser massenhaft reproduzierten Souvenirs, so gesteht Albert Heim (1849–1937), bedeutender Schweizer Geologe und selbst Panoramenzeichner und einer der vehementesten Befürworter ihres wissenschaftlichen Nutzens, in den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts, wollen “in einem Panorama auch einen guten Anhaltspunkt für die Erinnerung an die vergangenen Genüsse haben, und mehr: die Wirthe wollen von nahe gelegenen Aussichtspunkten Panoramen zu dem Zwecke, die Touristen zum Gang auf diese Höhen zu ermuntern – aus Wirthschaftsinteressen – wer wollte ihnen das verargen?”

Begonnen hatte die touristische Vermarktung dieser ausfaltbaren gezeichneten Rundsichten bereits um 1800. Heinrich Keller, Kartenmacher und Panoramenzeichner (1778–1862), begann zu dieser Zeit in Zürich mit dem Verkauf von Souvenir-Ansichten von Schweizer Aussichtsbergen. Er erwies sich – zusammen mit seiner Schwester Susanne – nicht nur als begabter Zeichner, sondern auch als erfolgreicher Geschäftsmann und bot selbst gezeichnete Panoramen, etwa vom Albis, dem Uetliberg oder dem Rigi an, er vertrieb aber auch erfolgreich Stadtpläne, Lehrmittel und Reisekarten.

Das frühe Publikum der gezeichneten Faltpanoramen fand bald Gefallen daran, dass das Gebirge in diesem neuartigen Medium von der Vertikalen in die Horizontale überging und zu handlichen Formaten verkleinert wurde, bis es schließlich auch im Rucksack und in der Tasche Platz fand.


Die Entdeckung der alpinen Aussicht

Die Faszination des Rundblicks von erhöhtem Stand aus ging der Herstellung massenhafter Bildwerke, die diesen Blick zu konservieren suchten, voraus. Bereits im letzten Drittel des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts häufen sich literarische Berichte, Briefe und Memoiren, die von privilegierten Blickpunkten aus den Blick “hinab” und in die Ferne zum modischen Thema gemacht haben. In der Frühzeit des Alpinismus aber war es zunächst ganz und gar nicht selbstverständlich, dass neben den hohen Gipfeln auch die mittleren Anhöhen, die einen weitum schweifenden Blick entlang der dicht gestaffelten Linien des Horizonts ermöglichten, Eingang fanden in die Liste alpiner Höhepunkte. Der österreichische Alpenforscher Carl von Sonklar (1816–1885) nimmt 1867 im Jahrbuch des Österreichischen Alpenvereins diese mittleren Höhen in Schutz. Es muss, so schreibt er, für jene “vielen Tausenden von Naturfreunden [...] Berge geben, deren Höhen mit weniger Anstrengung und geringerem Zeitverbrauch erreichbar, dennoch einen Umblick gestatten, der nicht bloss über die topischen Verhältnisse eines mehr oder minder ausgedehnten Gebirgsabschnittes zu belehren, sondern auch die Schönheit und Eigenthümlichkeit der Umgebung in einem für den Naturgenuss hinreichendem Maasse dem Auge vorzuführen imstande ist.”

Die aufsehenerregenden Erstbesteigungen und die Eroberung immer neuer Alpengipfel gingen also einher mit der touristischen Erschließung der Berge auch für die vielen ungeübten Alpinisten. Diese suchten aus sicherer Distanz zu den Abgründen und Schluchten, leicht zugängliche Plattformen des Blicks, die oft befestigt wurden mit Aufstiegswegen, Terrassen und Spazierwegen. “Unzählige herrliche Puncte”, schreibt daher 1871 der bedeutende österreichische Geografieprofessor und Panoramenzeichner Friedrich Simony (1813–1896), “an welchen vor 30–40 Jahren während eines Sommers kaum ein paar unternehmendere Touristen sich einfanden, werden nun alljährlich von Hunderten wanderlustiger Naturfreunde besucht; Gipfel, welche früher nur erprobten Alpenrecken erreichbar galten, sind zum Stelldichein flügge gewordener Pensionate und hochzeitsreisender Pärchen geworden”.

Die Schaulustigen, die diese Aussichtsberge rasch bevölkerten, huldigten weniger den Mühen des Anstiegs als vielmehr einer Theatralik des Naturgenusses. Sie bestand darin, aus sicherem Stand und aus der Distanz heraus – verschanzt hinter Fernrohren und Geländern oder womöglich vom Balkon des Hotelzimmers aus – das Gebirge schweifenden Blicks in Augenschein zu nehmen. Diese Aussichtstouristen suchten einerseits den Anblick und die Lokalisierung aufregender Felsformationen, und andererseits waren sie bemüht, durch Benennung und Beschreibung dessen, was rundum vor ihnen lag, ein enzyklopädisches Inventar der Natur anzulegen und nachzustellen.

Auftraggeber der auf ein touristisches Publikum zugeschnittenen Ansichten waren unter anderem Hotels, Bahngesellschaften und Touristenclubs. Die Faltpanoramen wurden oft mit handlichen und kunstvoll bedruckten Einbänden versehen. Indem sie über Wandermöglichkeiten und Sehenswürdigkeiten in der Umgebung berichteten, stellten sie nicht nur Mitbringsel, sondern auch Werbeprospekte dar. In ihrer Darstellung spielen sie meisterhaft auf der Klaviatur der inszenierenden Effekte. Da drängen sich Staffagefiguren – oft in ihrer Darstellung aus der ehrwürdigeren, älteren Landschaftsmalerei entlehnt – im Vordergrund. Touristische Einrichtungen, wie Hotels und Schutzhütten oder architektonische Aufbauten wie Wege und Plattformen dienen als elegante Blickfänge, das Fernrohr am Aussichtspunkt leitet symbolisch den schweifenden Blick vom Vorder- in den Hintergrund und trägt dazu bei, auch die hintersten Partien des Bildes detailgenau zu erschließen. Nicht selten ist die breite Ansicht kunstvoll gerahmt, die Beschriftung im Mittelteil oft durch Vignetten und Ornamente kunstvoll eingefasst. Auf diese Weise wird die privilegierte Position des Aussichtspunktes im Vordergrund betont und über die scheinbar gleichberechtigte horizontale Aneinanderreihung von Informationen und Benennungen ein sich im Zentrum steigerndes Stufenwerk der Annäherung errichtet. Oft sind es Wegmarken und andere markante Zeichen, etwa Baumstümpfe oder Felsen, die den Blick zuerst auf die Mittelachse führen und ihn dann erst allmählich an die “Ränder” des Bildbandes entlassen.


Hilfsmittel der Naturforschung

Zusammen mit anderen Darstellungstechniken des alpinen Geländes, wie Detailskizzen, Karten, Profilen, Reliefs und auch der Fotografie, trug das gezeichnete Panorama auch wesentlich zur Ausbildung verbindlicher Formen der Übertragung wissenschaftlicher Erkenntnisse in lesbare Grafiken bei. Vor allem in der Schweiz spielte das wissenschaftliche Alpenpanorama im Projekt der naturwissenschaftlichen Erkundung der Alpen eine wichtige Rolle. Die Entwicklung einer einheitlichen Bildersprache der erdbeschreibenden Naturwissenschaften, die erst in der zweiten Hälfte des 18. und besonders in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in Angriff genommen wurde, kam in der Einführung vergleichbarer Legenden und Lesehilfen ebenso zum Ausdruck wie in der bald vereinheitlichten Farbgebung, der Beleuchtung und der Benennung von Orten, aber auch in der Darstellung geologischer und morphologischer Details wie Falten, Brüche, Schichtungen, Schuttkegel und Eisfelder. Die Illustration wissenschaftlicher Erkenntnisse stellte, so der Kulturhistoriker Stephan Oettermann, andere grafische und zeichnerische Anforderungen als die künstlerische Landschaftsmalerei: “Nicht die ästhetische Darstellung landschaftlich reizvoller Partien, die das Auge und den Kunstsinn erfreuten, wurde gefordert, sondern eine präzise, realistische Wiedergabe des Sichtbaren. Man erwartete keine eigenständigen Kunstwerke, sondern Abbildungen, die den wissenschaftlichen Text ergänzen sollten, wo die sprachliche Beschreibung vor der Fülle des Faktischen versagte.”

Der Hintergrund, vor dem die naturwissenschaftliche Erschließung und Entdeckung der Alpen stattfand, war in den Alpenländern unterschiedlich. Die Schweizer Erdwissenschaft erlebte in Form der “Naturforschenden Gesellschaft” schon im 18. Jahrhundert einen ersten Aufbruch. Aus ihr gingen 1838 das “Eidgenössische Topographische Bureau” und 1850 die “Schweizerische Geologische Kommission” hervor. In Österreich wurde 1849 die “k. u. k. Geologische Reichsanstalt” gegründet, die als straff organisierte Institution eine breit angelegte flächendeckende Kartierung des Staatsgebietes der Monarchie in Angriff nahm. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts, als der vielleicht wichtigste österreichische Vertreter der wissenschaftlichen Alpenforschung, der vielseitig interessierte Geograf, Gletscherforscher, Geologe und Archäologe Friedrich Simony begann, die Ergebnisse seiner Forschungen einem breiten Publikum zu präsentieren, fand er weniger Möglichkeiten als seine Schweizer Kollegen vor. Er veröffentlichte seine Studien auch in der Tagespresse, etwa der Wiener Zeitung, und wies – auch in Denkschriften an den Kaiser - immer wieder darauf hin, dass die Forschung in Österreich noch “ein unfruchtbares Feld” sei, “während weit unbedeutendere Länder schon die reichsten Ergebnisse in Forschungen der Geologie und Geognosie kund gegeben haben”. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts rückte – im Gefolge der dritten Landesaufnahme (1869-1887), die das 1838 gegründete “k. k. Militär-geographische Institut” in Wien durchführte – die Erforschung der Alpen in den Vordergrund.

Zu vorübergehendem Ruhm gekommen waren in der Hochblüte der Faltpanoramen jene Zeichner, die auch als Wissenschaftler – etwa als Geologen, Geografen, Ingenieure und Topografen – arbeiteten: Hans Conrad (1767-1823) und Arnold Escher von der Linth (1807-1872), Gottlieb Studer (1804-1890), Friedrich Simony (1813-1896), Heinrich Zeller-Horner (1810-1897), Johann Müller-Wegmann (1810-1893), Albert Heim (1849-1937), Xaver Imfeld (1853-1876), Eduard Imhof (1854-1924), Julius Ritter von Siegl (1840-1911), Simon Simon (1857-1925).


Alles sehen, erkennen und benennen

“Schneidet man aus einem weissen Papier ein Loch und legt das Papier so auf die Zeichnung, dass man durch die Öffnung einen Berg einzeln sieht, während der übrige Teil verdeckt ist, wer wollte ihn so isoliert erkennen?” Um die Berge “richtig” sehen zu können, so folgert der Geologieprofessor Albert Heim daraus, bedarf es der zusammenhängenden, vollständigen Darstellungsweise. Die geologischen Gebirgseinheiten, deren Gesteinsschichten, Brüche und Falten sich – zumindest für die wissenschaftlichen Panoramenzeichner – horizontal ausdehnen, schienen geradezu nach einer Erweiterung des Blicks zu verlangen. Der 360°-Blick ist, so zeigt sich, ein methodischer Kunstgriff des 19. Jahrhunderts, der dem Betrachter im Zentrum die größtmögliche Fülle von Mitteilungen über die äußere Natur zu liefern versprach. Zugleich aber inszenierte die Rundsicht auch ein enzyklopädisches Tableau, das in der besessenen Ansammlung von Details das “Ganze” zeigen wollte, das sich wie ein Buch, schauend und lesend, erschließen sollte. Panoramenmaler und Panoramenleser stehen also ein Stück weit auch in der Tradition des Sammlers, eben weil sie die Leidenschaft nach Vollständigkeit mit der Faszination des Außergewöhnlichen verbinden. Sichtbar wird das auch in eindrucksvollen, immer dichter angeordneten Orts- und Gipfelbezeichnungen samt Höhenangaben im Fuß- oder Kopfteil der Faltpanoramen. Die Panoramenzeichner und Kartografen haben aber nicht nur bestehende Namen akribisch aufgezeichnet, sondern sich auch einem umfangreichen Programm an Neu- und Umbenennungen von Gipfeln, Graten, Übergängen und Erhebungen verschrieben. Diese radikale - und oft gedankenlose - Vereinheitlichung von Orts- und Flurnamen wurde von aufmerksamen Beobachtern, wie etwa dem österreichischen Geologen und k. u. k. Oberst Edmund von Mojsisovics (1839–1907), als “Wiedertäufertum” gegeißelt. Allein 864 Namen von sichtbaren Gipfeln verzeichnet beispielsweise das von Albert Heim gezeichnete Panorama vom Säntis aus dem Jahr 1872 auf der Länge von viereinhalb Metern “Die Namen thun der Schönheit Eintrag”, meint Heim, auch wenn die Bestimmung einer umfänglichen und präzisen Nomenklatur nicht immer ganz einfach gewesen sei.

“Nicht das Zeichnen selbst ist das Schwierigste, sondern alles sehen zu können, und dies liegt nur zum Theil in unserer Gewalt.” Damit umreißt Albert Heim das Programm des Zeichners von Panoramen, das aus einer Mischung von genauer Beobachtung, emsigem Sammeleifer und grafischer Umsetzung besteht. “Panoramenzeichner sind keine Künstler im scharfen Sinne des Wortes und wollen es auch nicht sein”, denn, so Heim weiter, “in erster Linie soll dieses Bild wahr sein, d. h. richtig, getreu”. Und: “Schönheit ist nicht sein Endzweck, aber Wahrheit.” Das besessene Einsammeln von Tatsachen und Details stellt mitunter hohe – auch körperliche - Anforderungen an den Zeichner: “Man hat gewöhnlich ganz falsche Vorstellungen hierüber und glaubt, die Geduld und Ausdauer bloß an der Zahl der Linien messen zu können”, schreibt Heim. “Wenn es auf hohen Gipfeln besonders klar zum Zeichnen ist, so haust sehr oft ein kalter Wind, man wird vor Frost am ganzen Körper steif, will aber die Beleuchtungen benützen und zeichnet stundenlang mit so steifen Fingern, dass man den Bleistift kaum in der Hand fühlt. Ohne dergleichen geht die Aufnahme des Panoramas von einem Gipfel, der in die Schneeregion hineinreicht, gewöhnlich nicht ab.”

Während der Autor, ein schneller Zeichner, für seine mittelgroßen Panoramen, etwa die Gotthard- oder die Glärnisch-Rundsicht, “zur Aufnahme bei günstiger Witterung doch wenigstens drei bis vier Tage unausgesetzter Arbeit” benötigte, waren monumentale Arbeiten weit aufwändiger: “Eines in noch größerem Massstabe, das zugleich viele verwickelte Fernsichtpartien enthält, wie mein Panorama vom Säntis (1872) verlangt wohl die vierfache Zeit.” Heims Schüler, der Maler und Lithograf Albert Bosshart (1870-1948) schraubte seinen Anspruch auf Detailgenauigkeit noch höher – und scheiterte daran. Für sein Tödi-Panorama, das er im Auftrag des Schweizer Alpenclubs zwischen 1906 und 1914 zeichnete, bestieg er allein 50 Mal den 3614 Meter hohen Gipfel. Das Panorama blieb unvollendet. Er wurde von seinem Auftraggeber, dem Schweizer Alpenclub, entlassen.


Die Mühen des Zeichnens

“Wenn wir uns um unser Auge einen weiten Glascylinder denken und nun auf diesem den Bergformen ... mit einem Farbstift nachfahren, dann den Cylinder an einem Orte aufschneiden und uns ausgebreitet denken, so haben wir in ihm ein genaues Panorama.” So fasst Heim die Tätigkeit des Panoramenzeichners zusammen. Die praktische Arbeit des Panoramenzeichners beschreibt 1881 der Grazer Mathematiker, Physiker und Astronom Johannes Frischauf (1837–1924) zunächst als nüchtern-wissenschaftliche Vermessungsarbeit: “Als Vorbereitung der Zeichnung eines Panoramas soll man sich”, so rät er, “eine Reihe, im Umfang der Aussicht möglichst gleichmäßig vertheilter, bestimmt markirter Punkte auf die Zeichenfläche als Fixpunkte, welche der eigentlichen Zeichnung zu Grunde liegen, auftragen. Als solche Fixpunkte dienen astronomisch-trigonometrische Punkte, wie scharf begrenzte Bergspitzen, Kirchen und dgl., deren Name bekannt und deren Lage auf der Karte sehr genau angegeben ist. Zwanzig bis dreissig solcher Punkte genügen für ein Panorama.”

“Der Weg zur Spitze ist mühsam”, so bringt Heim das aufreibende Geschäft des Zeichners auf den Punkt. “Man will alles haben und geht mit freudiger Hoffnung täglich hinauf, kehrt aber täglich unverrichteter Sache zurück, oft im Nebel, oft im Regen, oft gar im Schneegestöber.” Der Panoramenzeichner “kann acht oder vierzehn Tage beim hellsten, schönsten Wetter auf einer Spitze zugebracht haben und glauben, alles gesehen und gezeichnet zu haben. Kommt er bei ganz anderem Wind hinauf, so trennt sich auf einmal ein neuer vorderer Grat ab; vorher hat er ihn noch nie unterscheiden können.”

Trotz der Beteuerung, die Natur sei der eigentliche, alleinige Meister, stellt sich das Panorama als Inszenierung dar, die auf überkommene Darstellungsformen ebenso zurückgreift wie auf dramaturgische Kunstgriffe. Das beginnt schon damit, dass man “ein zehn bis zwanzig Fuss langes Panorama [...] von freiem Auge unmöglich nach der Natur zeichnen [kann], ohne nach und nach etwas zu sinken oder zu steigen; es ist hierin also”, so Heim, “noch eine Berichtigung nothwendig”. Als orientierendes Hilfsmittel bietet sich der mit mathematischen Kenntnissen ermittelte Horizont an – der übrigens auf Heims Panoramen immer am Rande durch eine Marke eingezeichnet ist.

Darüber hinaus gehorcht die Rundsicht einer ganzen Reihe dramaturgischer Pointen, die, wie im Falle des nüchternen Berichtes Johannes Frischaufs über “das Zeichnen und Bestimmen der Panoramen” (1881) freilich nur etwas verschämt als Fußnote auftaucht: “Um auch den künstlerischen Anforderungen gerecht zu werden, empfiehlt es sich (namentlich für die Vervielfältigung), den Anfang so zu wählen, dass in die Mitte des Bildes der interessanteste und schönste Theil der Aussicht kommt, während die gleichgiltigen Partien links und rechts gleichmäßig vertheilt sind.”


Die Zutat der Farbe

Der wissenschaftliche Panoramenzeichner soll sich nach Ansicht Heims von “eigentlicher Schattirung nach der Beleuchtung fern halten [...] oder solche nur in den vordersten Gräten, vielleicht eine Stunde im Umkreis, mit Vortheil anwenden”. Ebenso soll er sich aller anderen optischen Zutaten und Anreicherungen enthalten, die den kühlen und informativen Eindruck stören könnten, auch der Farben. “Farbentondrucke, die die natürlichen Farben wiedergeben, sind für ganze Panoramen allzuschwierig.” Diese Skepsis teilen freilich nicht alle Panoramenzeichner. Zur selben Zeit existierte nämlich bereits ein üppiger Markt an gedruckten Gebirgsansichten, die sich durch vielfältige optische Zutaten auszeichneten. Die Farbe spielte darin eine wichtige Rolle. Mit der Entwicklung neuer Drucktechniken hat in den 1830er-Jahren nach und nach eine unglaubliche Bilderflut eingesetzt. Vervielfältigt wurden diese Ansichten nun überwiegend im Steindruck – der Lithografie –, die es erst möglich machte, auf schnelle und billige Weise Massenauflagen herzustellen. Entwickelt worden war das neue Verfahren von Aloys Senefelder (1771–1834), der nach 1796 mit dem Steindruck experimentiert hatte. 1799 gründete er in München die erste lithografische Anstalt.

Früh schon wurden nicht nur Karten, sondern auch andere Bilddrucke mit industriellen Mitteln massenhaft angefertigt, etwa Ansichten von Landschaften und Städten, Kopien von klassischen Gemälden, Porträts berühmter Persönlichkeiten, Andachtsbilder, Spielkarten, Geldscheine, später auch farbige Sammlerbögen, Werbebilder, Plakate und Bildpostkarten.

Auf die aufgeraute oder geschliffene Steinplatte aus Solnhofer Kalkschiefer wurde die Zeichnung mit fetthaltigen Stiften, Kreiden oder Tuschen aufgetragen. Die über die Platte gewälzte Druckerfarbe wurde nur von der fettigen Zeichnung angenommen, die zuvor mit Wasser befeuchteten Flächen der Platte wiesen sie jedoch ab. Die Tuschzeichnung lieferte im Unterschied zur Kreide klare Konturen und glich in ihrer präzisen Wiedergabe der Umrisse den Ergebnissen des Kupfer- bzw. des Stahldrucks. Die Kreidezeichnung ergab weiche Konturen und verlieh den Panoramen faszinierende atmosphärische Bildwirkungen.

Erst das lithografische Druckverfahren hat die Bilderwelt des 19. Jahrhunderts eingefärbt. Dadurch erfuhr auch die Kunst des alpinen Faltpanoramas einen deutlichen Aufschwung. Als industrielles Druckverfahren war es vom Elsässer Gottfried Engelmann 1837 zum Patent angemeldet und als “Chromolithografie” bekannt geworden. Einen regelrechten Boom erlebte die Chromolithografie auf den Weltausstellungen. Die Farbtöne wurden nicht durch Nebeneinanderdrucken verschiedener Nuancen erzeugt, sondern durch das Übereinanderdrucken der unterschiedlich eingefärbten Platten.

Die Herstellung der Panoramen war ein kompliziertes, arbeitsteiliges Handwerk. Neben dem Zeichner spielte auch der Lithograf, der die Vorlage in seinem “Styl” oder seiner “Manier” (Heim) auf die Druckplatte übertrug, eine wichtige Rolle. Das handwerkliche Können einzelner Lithografen und die unterschiedlichen technischen Möglichkeiten der Lithografischen Anstalten hatten entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung der Faltpanoramen. Auf diese Weise entstand eine faszinierende Vielfalt an Ansichten. Sie reicht von kleinen, nicht kolorierten Drucken bis hin zu aufwändig gezeichneten und übertragenen Bildern, die sich vom nüchternen wissenschaftlichen Anspruch entfernten und zu atmosphärisch verdichteten Kunstdrucken wurden.

In Österreich machte sich vor allem der Maler, Radierer und Lithograf Conrad Grefe (1823–1907), der 1873 sein eigenes “artistisches Atelier” gründete, um die Herstellung der alpinen Rundsichten einen Namen. Grefe, selbst langjähriges Vorstandsmitglied des Österreichischen Alpenvereins, fertigte einen bedeutenden Teil der alpinen Faltpanoramen im Auftrag desselben an. Eine ähnliche Bedeutung hatte in der Schweiz der Maler, Illustrator und Lithograf Jakob Friedrich Ferdinand Lips (1825–1885). Bekannt wurde er als Hersteller der ersten den Jahrbüchern des Schweizer Alpenclubs beigelegten Panoramen. Er gründete nach Lehraufenthalten in Paris das Atelier für Holzschnitt “Lips & Spahlinger” in Schaffhausen und erwarb später das “Lithographie-Atelier Seelhofer” in Bern.

Neben den zahlreichen kleineren Anstalten waren es in der Schweiz v.a. die Druckereien von “J. J. Hofer” und “Orell Füssli” in Zürich, “J. U. Wurster” in Winterthur und “Kümmerly” in Bern, die in der Vervielfältigung von Karten und Panoramen gute Arbeit leisteten. In Deutschland nahm der kartografische Verlag “Justus Perthes” in Gotha, Thüringen, eine führende Rolle ein. In Österreich waren es vor allem “Artaria & Co.”, “Mollo”, “Hölzel” und die “Kartographisch-lithographische Anstalt” Gustav Freytags, die neben Karten auch Panoramen druckten.

Mehrere Jahrzehnte lang behauptete die Lithografie nahezu unbeeinsprucht die führende Position beim Druck von Abbildungen. In Bedrängnis geriet sie erst Ende der 1880er-Jahre, als mit der Erfindung der Autotypie, des gerasterten Fotodruckes, der auch die Farbwiedergabe möglich machte, eine leistungsfähige und kostengünstige Alternative zur Verfügung stand, derer sich bald auch die Schriften und Jahrbücher der alpinen Vereine bedienten. Auf die Beilage von lithografisch vervielfältigten Faltpanoramen wurde mehr und mehr verzichtet.


Der Blick als Ware

Die vielen kleineren privaten Auftraggeber und Anbieter wie Schutzhütten, Hotels oder Ausflugsgasthöfe setzten das Faltpanorama nicht allein als Orientierungsübersicht, sondern als touristischen Werbeprospekt ein.

So bekannte Aussichtspunkte wie der Rigi, der Tödi, der Säntis, der Großglockner oder der Habicht gehörten ebenso in das Spektrum beliebter Motive wie weniger bekannte Anhöhen, die aufgrund ihres überragenden Rundblicks in die Reihe der panoramatischen Plattformen aufgenommen wurden. Zu ihnen gehörten Berge wie der Männlichen, der Dobratsch, der Pöstlingberg, der Schneeberg, das Kitzbühler Horn, der Penegal oder die Plose bei Brixen. Die Panoramen trugen ihrem Ruf Rechnung oder leisteten einen Beitrag, aus unbekannteren Anhöhen Sehenswürdigkeiten zu machen. “Schier unübersehbar ist die Anzahl der Bergrundsichten, die geschäftstüchtige Verleger vor allem in den Jahren 1850 bis 1910 auf den Markt warfen; [...] kaum eine Berghütte, die auf sich hielt, die nicht eine Rundsicht von ihrem Standort angeboten hätte”, so der Kulturhistoriker Stephan Oettermann.

Die Zeichner touristischer Ansichten bleiben oft bis heute im Dunkeln, wenig ist über sie zu erfahren. Die Panoramenmaler, deren Vorlagen in der Regel nicht als künstlerische Originale, sondern als Zwischenschritte für massenhaft vervielfältigbare Drucke galten, konnten im Kreis der Künstler nicht recht zu Ruhm kommen. Sie waren weit mehr Hersteller einer populären Gebrauchskunst als der “hohen” Kunst. Nicht immer aber waren diese privaten Werbeanstrengungen von Erfolg getragen. Franz Senn (1831–1884) etwa, der 1869 als Kurat von Vent, Gastwirt im Ötztal und Mitbegründer des Deutschen Alpenvereins aus eigenem Antrieb bei den beiden Zeichnern Georg Engelhardt (1823–1883) und Carl Jordan (1826–1907) ein Kreuzspitzpanorama in Auftrag gegeben hatte, das in Berlin gedruckt werden sollte, stürzte sich mit diesem Vorhaben wider Erwarten in Unkosten. Im Frühjahr 1870 noch schien ihm das Unternehmen erfolgversprechend. Er schrieb an Johann Stüdl (1839–1925) in Prag, ebenfalls Gründungsmitglied und Förderer des Deutschen Alpenvereins: “Es erscheinen 4 Blätter, jedes beiläufig so groß wie das vom Ramolkogel. Ich werde nächstens Subskriptionsbögen in die Welt hinausschicken. Das ganze Panorama wird auf diesem Wege 2 Thaler oder 3 Gulden ö. W. in Silber kosten. Was sagst Du dazu?” Schon bald kam aber das Projekt ins Stocken, da der Kurat aus Geldmangel das Honorar an den Zeichner und Lithografen nicht zahlen konnte. “Ich stehe”, schreibt er im Herbst desselben Jahres, “bei dem betreffenden wohl in Kredit, aber was hilft dies, wenn ich in so trostloser Lage bin? Der Druck von 800 Exemplaren des Panoramas kostet mir 800 preuss. Thaler. Davon habe ich im Frühjahr von München aus 150 Thaler bezahlt, das übrige bin ich schuldig und woher nehmen? Im Ötzthale und bei uns weit und breit ist heuer, als Folge des Krieges, kein Geld.” Die Subskription lief schleppend an, die Vorbestellungen hielten sich in Grenzen und, so klagt Senn Ende 1871, “zur Folge, daß ich in Berlin nur langsam zahlen konnte, daß mir nur 400 Exemplare gedruckt wurden, und dass ich für dieselben viel mehr zahlen mußte, als anfänglich kontrahiert war. Ich habe die Beweise sozusagen in meinen Händen, dass ich, anstatt Profit zu machen, Schaden leiden muss.”

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts lösten die touristischen Vertriebswege die alpinen Vereine in der Verbreitung der Rundsichten endgültig ab. Die Herstellung der Panoramen begann sich zusehends zu verteuern, die fotografischen Rundsichten und die flächendeckenden kartografischen Geländeaufnahmen waren – zumindest im wissenschaftlichen Bereich – zu ernsthaften Konkurrenten für die gezeichneten Ansichten geworden. Es war aber auch der schnelle Aufschwung der Wanderkarten, die in Preis, Handlichkeit, Exaktheit und Informationsfülle die Panoramen übertrafen und ihren Niedergang beschleunigten. Neue billigere Reiseandenken und Gebirgsansichten, wie etwa die Bildpostkarten, traten die Nachfolge der aufwändig gestalteten Faltpanoramen an. Entscheidend aber für das schwindende Interesse am panoramatischen Blick dürfte die Krise des Panoramas selbst – der großen Rundgemälde wie der kleinen Drucke – sein, das als faszinierendes Schauspiel des Auges mehr ins 19. als ins beginnende 20. Jahrhundert gehörte. Der Traum vom Gebirge, das als Buch der Wissenschaft ebenso zugänglich gemacht werden sollte wie als umfassendes visuelles Spektakel, der Wunsch “alles zu sehen und zu erkennen”, begann an der Wende zum 20. Jahrhunderts an Faszination zu verlieren. Ganz aber ist das gezeichnete Rundbild dennoch nicht untergegangen. “Es lebte”, so Bernhard Tschofen, “fort in der Skizze der Führerliteratur als schlichte Umrissdarstellung mit Legende und begann – grafisch angereichert – eine Karriere als illustratives Medium der Landschaftsdarstellung in der Tourismuswerbung”.

 
 
 

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