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3. Spalte (Steinbock - König der Alpen)

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Steinbock - König der Alpen

Informatives über Steinböcke

Es sind oftmals einmalige Begegnungen oder Ereignisse, die ganz tiefe, prägende Eindrücke hinterlassen und Anstoß sind für eine längere, manchmal lebenslange Beschäftigung mit einem Thema. Auf einer meiner  fast  jährlichen Begehungen  der „Kleinen Reibe“  vom Stahlhaus über den Schneibstein zum Seeleinsee und nach Hinterbrand  fand ein solches „Ereignis“ statt: Ich stand plötzlich ganz nahe vor zwei wunderbaren Tieren, die durch ihr Aussehen und ihre Ausstrahlung nicht zu Unrecht als „Alpenkönig  Steinbock“  zum Mythos geworden sind.

Als  ich nicht lange danach  im Nationalparkzentrum BIOS in Mallnitz einen spannenden Vortrag über die Wiederansiedlung des Steinbocks miterleben durfte, wurde meine Neugier, mehr über diese Tiere zu erfahren, ein weiteres  Mal geweckt. Drei  Publikationen dazu möchte ich im Folgenden vorstellen und deren Inhalte in loser Form zusammenfassen:  Zwei  kompakte, informationsreiche Editionen des Nationalparks Hohe Tauern und ein ganz neues, 95-seitiges, reich bebildertes  Buch aus dem Südtiroler Verlagshaus Athesia.

Nur im königlichen, italienischen und streng bewachten Nationalpark Gran Paradiso überlebte eine etwa 60 Tiere umfassende Population von Steinböcken ihre totale Ausrottung in Europa. Diese wunderbaren Tiere, die bereits auf jungsteinzeitlichen Felsmalereien und Ritzzeichnungen zu finden sind, wurden Opfer ihrer angeblich mythischen Kräfte verschiedener  Körperteile, wie Fleisch, Hörner und Fell. Ihre Hörner wurden zu  Pulver vermahlen, das Blut sollte gegen Harnkrankheiten helfen und den sogenannten Bezoar-Kugeln, Verklumpungen aus dem Magen, wurden Heilkräfte gegen Fieber, Durchfall und Depression nachgesagt. Da nützten auch die strengen Bejagungsverbote bereits aus dem Jahre 1612 in Graubünden oder die des Salzburger Erzbischofs  Johann Ernst  um 1600 nichts. Wenn obendrein sein Kollege Graf von Thun sogar eine „Steinbock-Apotheke“ einrichtete, dann muss man sich nicht wundern, wenn  auch noch das Problem der Wilderei  hinzugekommen ist.  Schutzmaßnahmen wie Verbote von Jodeln, Peitschenknallen und  Kuhglockenläuten auf den Almen des Zillertals im 17.Jahrhundert gehören zu den historischen Kuriositäten und blieben ebenso wirkungslos, wie auch der Einsatz der sogenannten „virtuosen Felsklimmer“,  die zwischen 1610 und 1700 noch etwa 50 Tiere einfingen, um sie an anderer Stelle wieder auszusetzen.

Die hohen Inzucht-Grade der in Europa verbliebenen  fünf  Dutzend Tiere  infolge von  Nachzüchtungen  fordern bis heute ausgeklügelte Zuchtstrategien im Wildtier-Management,  vor allem um Krankheiten hintanzuhalten. Der epidemische Befall der Steinböcke durch Gamsräude, der zum Beispiel in den siebziger Jahren die damals ständig wachsende Population in den Hohen Tauern stark dezimiert hat, ist in diesem Lichte zu betrachten. Parasitäre, 0.3mm große Milben dringen dabei in die „Decke“ ein, führen zu quälendem Juckreiz, Haarausfall, Hautrissen und Eiterbeulen. Nur Jagdaufseher oder der natürliche Tod machen diesem Leiden ein Ende.

Einige Fakten über Physiognomie und  Verhalten mögen uns diese Tiere nun näher bringen. Steinböcke sind horntragende Huftiere. Sie sind Wiederkäuer und haben ein vergleichbares genetisches Erbgut  wie Wildziegen. Ungewollte Kreuzungen zwischen Hausziegen und Steinböcken und daraus resultierende „Bastarde“  führten in jüngster Zeit auch bei uns zu heftigen Diskussionen – vor allem in der Jägerschaft. Böcke werden bis zu 18 Jahre alt und 100kg schwer und erreichen ihre Geschlechtsreife nach etwa 2 Jahren, wobei Fortpflanzungserfolge erst bei neunjährigen Böcken zu verzeichnen sind. Geißen können an die 20 Jahre alt werden, haben das halbe Körpergewicht und setzen ihr erstes Kitz mit etwa  vier  Jahren.

Während das  Gehörn der  Geißen  25-30cm misst, trägt der Bock das charakteristische  Gehörn mit „Wülsten“,  das bis zu 1m lang  und 10kg schwer werden kann. Im Gegensatz zu Hirsch und Rehbock wirft das Steinwild sein Gehörn nie ab. Die Altersbestimmung von Steinböcken ist relativ einfach, indem man die  Rückseiten des Gehörns betrachtet. Dazu ein Blick auf die folgende  Zeichnung: Das Hornwachstum wird in den Wintermonaten unterbrochen und dies zeigt sich durch seitliche und rückwärtige Einschnitte. Es nimmt generell  ab dem zehnten Lebensjahr ab. Witterungsumstände und der jeweilige Gesundheitszustand bewirken ein unterschiedliches Wachstum – somit  gleicht kein Horn dem anderen. ( Zeichnung über Altersbestimmung am Gehörn )

Bei der Nahrungsaufnahme – immer in sicherer Deckung vor Feinden - werden Grasbüschel mit der Zunge umfasst, mit den Zähnen des Unterkiefers gegen eine Hornplatte im Oberkiefer gedrückt und abgerissen. Fast unzerkaut wandert diese Nahrung  in den Pansen-und Netzmagen und wird dort zu einem Futterbrei vermischt, der anschließend zurück in das Maul gelangt. Nach seiner Zerreibung mit den Backenzähnen kommt der Brei erneut in den Pansen- und Netzmagen. In einem Gärvorgang mit Bakterien und Wimpertierchen entsteht ein dünnflüssiger Brei, der über den Blättermagen nach Entzug von Wasser und Ionen in den Labmagen gelangt, dort  eingedickt wird und dessen Nährstoffe anschließend im Darm resorbiert werden.

Das Steinwild verbringt  den größten Teil seines  Lebens  nach Geschlechtern getrennt. Bis zu drei Jahre lang sind die jungen Böcke aber noch in Verbänden mit den weiblichen Tieren in Rudeln von maximal 20. Kilometerweit entfernt  leben  hingegen die erwachsenen Böcke in Gemeinschaften von bis zu 60 Tieren in ihren Sommereinständen.  Erst zur Brunft zwischen Mitte Dezember und Mitte Jänner kommen Böcke und Geißen zusammen. Die Kämpfe  zwischen den Böcken dienen der Schaffung von Rangordnungen, verlaufen aber  „ruhiger“ als bei den Gämsen. Nach dem Decken trennen sich Böcke und Geißen wieder.  Anfang Juni sucht die Geiß einen versteckten und ruhigen Platz zum „Setzen“ – meist bringt sie ein Kitz, selten zwei zur Welt. Bereits nach einigen Stunden folgt das Neugeborene  der Mutter zum Rudel.

Durch ein Telemetrie-Projekt wurden im Nationalpark Hohe Tauern das Wanderverhalten, die Habitatstrukturen und die Aktivitätsrhythmen vor allem der Böcke mit Hilfe von  Besenderungen erforscht. Böcke wandern weit, überwinden Gletscher und hohe Alpenpässe und ermöglichen dadurch  einen genetischen Austausch zwischen den Kolonien. Einer der  beobachteten  Böcke hat dabei in 2 Jahren 570 Kilometer zurückgelegt. Besonders Böcke  mittleren Alters  sondieren in  räumlich ausgedehnten Wanderungen  ihre Fortpflanzungsmöglichkeiten. Geißen bleiben hingegen bedingt durch die Aufzucht des Nachwuchses standorttreu.

Der Lebensraum der Steinböcke liegt zwischen ungefähr 1700 und 3200 Höhenmetern – die größten Höhen werden  im September/Oktober aufgesucht, die tiefsten Stände zur frischen Äsung im April/Mai. Dichter bewaldete Täler meidet das Steinwild. Bevorzugt werden südorientierte Hänge, vor allem im Winter, wenn bei genügend Steilheit der Schnee abrutscht und sich auf den freien Grasflächen eine  Möglichkeit zur  Nahrungsbeschaffung ergibt. Generell liebt das Steinwild durchschnittliche Hangneigungen von 40°, darunter findet man es seltener, darüber kurzzeitig bis zu Geländeneigungen von 70°. Bei „Nahrungs-Konkurrenz“ durch weidende Schafe wechseln Steinböcke notfalls auch auf Nordhänge.

Paarhufer sind Zehenspitzen-Geher. Sind Hirsche eher als  Läufer zu bezeichnen, so sind Steinböcke Kletterer mit größeren Hufen. Ihre Hufplatten um die Zehen sind dick und hart und eignen sich bestens zum Verkanten in Eis und Schnee. Ihre Sohlen hingegen sind weich und elastisch für eine gute Haftung im Fels. Moderne Kletterschuhe werden nach demselben Prinzip mit harten Kanten und weichen Sohlen hergestellt.

Klirrende Kälte ist für die Tiere kein Problem. Fett wird im Herbst angefressen und im Winter aufgebraucht. Die Herzschlagrate wird um 60% reduziert. Die Wintereinstände sollten sicher und ungestört sein – am besten in Wildschutzgebieten!

Meine eingangs beschriebene, stressfreie  Begegnung mit den „Alpenkönigen“ basiert auf der Tatsache, dass  diese Tiere friedlich und generell nicht sehr scheu sind. Manchmal sind sie sogar schlafend anzutreffen. Etwa je 16.000 Steinböcke dürften  derzeit in Italien und in der Schweiz  leben, in Frankreich circa 10.000. Österreichs Populationen sind auf 4.500 Tiere angewachsen, Slowenien verzeichnet  aktuell  400 und Deutschland etwa 300 Stück.

Karl Demetz, der 1928 in St.Ulrich im Grödenertal  geborene Verfasser des Buches „Der Steinbock“ aus dem Athesia-Verlag beschreibt eine Wanderung in Südtirol, bei der er um die Mittagszeit auf einer Bergwiese völlig unvermutet auf ein Rudel von 140 Steinböcken - ohne Geißen und Jungtiere – traf. Er beschreibt diesen Augenblick als einen für ihn schönsten und glücklichsten, den ihm die Natur schenken konnte.

Karl Demetz: Der Steinbock – Akrobat im Hochgebirge, 96 Seiten, reich bebildert, Athesia Verlag Bozen,  2014, ISBN 978-88-8266-957-7,€ 14.90

Nationalpark HoheTauern (Herausgeber): Der Alpensteinbock – Raumnutzung des Alpensteinbocks in den Hohen Tauern, 32 Seiten, reich bebildert, 2013, ohne ISBN-Nummer und Verlagsbezeichnung. Auf Anfrage im BIOS-Nationalparkzentrum Mallnitz

Nationalpark Hohe Tauern: Alpenkönig Steinbock – ausgerottet und zurückgekehrt, 30 Seiten, Katalog zur Sonderausstellung im Bios-Nationalparkzentrum Mallnitz, ohne Jahreszahl.  Auf Anfrage.

Wolfgang Guttmann

Geissen mit Jungtieren am Schneibstein
Geissen mit Jungtieren am Schneibstein
 
Steinböcke bei der Nachmittagsjause
Steinböcke bei der Nachmittagsjause

Die Schaflucke, mystisch im Nebel
(Foto Gerhard Schaffer)

 
 
 

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