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Die Geschichte der Sektion Donauland: (Donauland-Hütte, Mürzsteger Alpen Geschichte)

Hüttenfinder
Donauland-Hütte
Seehöhe 1440 m, Kategorie I, Steiermark, Mürzsteger Alpen

Die Donaulandhütte selbst und die namensgebende Alpenvereinssektion Donauland hat eine bewegende und traurige Geschichte im Österreichischen Alpenverein, die du auf dieser Seite im Detail nachlesen kannst. Gerade wegen dieser bewegten Geschichte ist es uns eine besondere Freude, diese Hütte mit 01.01.2023 wieder zurück in den Alpenverein geholt zu haben und von nun an für alle Menschen und alle Mitglieder zu öffnen. Der Alpenverein Edelweiss steht seit seiner Gründung 1946 für Gemeinsamkeit, Bewegung in der Natur und setzt sich aktiv für unsere Umwelt ein. Neben dem Österreichischen Umweltzeichen für unsere Schutzhütten, wurde dem Alpenverein Edelweiss vor kurzem auch das Umweltzeichen als Bildungseinrichtung verliehen. Gemeinsam mit unseren über 80.000 Mitgliedern versuchen wir die Natur und Umwelt besser für kommende Generationen zu hinterlassen, als wir sie vorgefunden haben.

Die Geschichte der Sektion Donauland:

von Michael Guggenberger – ÖAV Mitarbeiter Archiv und Museum

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Verreinsabzeichen
Antisemitisches Plakat, 1921zoom
Antisemitisches Plakat, 1921
 

Schanghai 1939. Rudolf Reif erklettert im Geist den Wiener Neustädter Steig an der Rax. „Hirnklettern“, aus Sehnsucht nach den Bergen, nennt er das und denkt dabei auch an vergangene schöne Zeiten mit Viktor Frankl beim Alpenverein Donauland.

Auschwitz 1944. Dem bedeutenden Psychiater und Neurologen Viktor Frankl, einst vom kaufmännischen Angestellten Rudolf Reif in die höhere Kunst des Bergsteigens eingeführt, wird mit den allerletzten Habseligkeiten sein Tourenführerabzeichen abgenommen.

Frankl und Reif wurden beide als Juden verfolgt, aber nur Reif gelang die Flucht aus Wien. Ihr geliebter Alpenverein Donauland wurde 1938 als „Treffpunkt jüdischer, marxistischer Elemente“ auf Geheiß von Reichsstatthalter Seyß-Inquart behördlich aufgelöst. Donaulands Medium „Berg und Ski“, eine der führenden alpinen Zeitschriften, wurde eingestellt, der gesamte Hüttenbesitz enteignet und das Vereinsheim im Tiefparterre der Langen Gasse 76 im achten Wiener Gemeindebezirk von der Gestapo, unterstützt durch „6 SS-Kerle“, beschlagnahmt und SA-Reitern überlassen. Doch angefeindet und verfolgt wurde der engagierte und erfolgreiche alpine Verein Donauland mitsamt seinen bis zu 3.000 Mitgliedern schon weit vor dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich, und zwar von Beginn an. Wie kam es dazu?

Nachdem bereits Ende des 19. Jahrhunderts manche neu gegründeten alpinen Vereine, Turnerbünden nacheifernd, Jüdinnen und Juden die Aufnahme verwehrt haben, führen 1920 erste bisher tolerante Sektionen des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins (DuOeAV) zu diesem Zweck einen „Arierparagraphen“ ein, bald folgen weitere. Es kommt innerhalb des Alpenvereins – wie in allen großen alpinen Vereinen Österreichs mit Ausnahme der Naturfreunde – zu massiver antisemitischer Propaganda.

Als Reaktion gründen 1921 jüdische und liberale Kräfte die Alpenvereinssektion Donauland, um Bergsteigern und Bergsteigerinnen, die sich „von der Welle des Hasses“ abgestoßen fühlen, eine neue Heimat zu bieten. Das soll zugleich der antisemitischen Hetze im Alpenverein den Wind aus den Segeln nehmen: Es gilt, „unseren Gegnern durch Taten zu beweisen, daß wir würdig sind, in den Reihen des großen Alpenvereins zu stehen.“ – Im Nachhinein gesehen ein Kampf gegen Windmühlen!

Donauland entwickelt zwar rasch ein reges Leben, Ski- und Bergsteigervereinigung sind sehr aktiv, ebenso die engagierte Jugendwandergruppe, eine alpine Fachbibliothek wird aufgebaut, in der Vereinszeitschrift und an Vortragsabenden wird – auch über faschistische Tendenzen im Alpinismus – informiert und debattiert, Schutzhütten werden eingerichtet. All das geschieht am Puls der Zeit. Schon ein Jahr nach ihrer Gründung hat die junge dynamische Sektion über 2.000 Mitglieder! Aber Neid und Missgunst der „Arierpartei“ innerhalb des Alpenvereins folgen, die Hetze geht weiter. Mitgliedern von Donauland wird sogar der Zugang zu Alpenvereinsschutzhütten verwehrt. So darf – dieses eine Beispiel sagt alles – der berühmte einbeinige (!) Kletterer Otto Margulies nicht im Guttenberg-Haus übernachten.

Nach jahrelangem „Terror der österreichischen Nazisektionen“ wird Donauland Ende 1924 mit seinen etwa 3.000 Alpenvereinsmitgliedern aus dem Deutschen und Oesterreichischen Alpenverein ausgeschlossen. Und wie! 89,7 % sind dafür! Das „himmelschreiende Unrecht“, das „nicht den Frieden, sondern den Fluch der bösen Tat bringen“ wird, ist vollbracht, die warnenden Worte Johann Stüdls, der grauen Eminenz des Alpenvereins, verhallen. Während der Deutschvölkische Bund des DuOeAV über den „glänzenden Erfolg unserer gerechten Sache“ jubelt, fragt die Neue Deutsche Alpenzeitung: „Ihr forscht nach Stammbaum und Schädelform und überseht den Herzschlag und den Seelenklang! Was wird das Ziel, das Ende sein?“

Die ausgeschlossene Sektion formiert sich sofort als völlig eigenständiger „Alpenverein Donauland“ neu und will sich „durch keine Erinnerung, durch keine Bitterkeit […] hemmen lassen“. Doch die Nationalsozialisten vernichten Donauland – beinahe.

Nach dem Ende Nazi-Deutschlands reaktiviert im Herbst 1945 „ein Häuflein“ ehemaliger Mitglieder den Verein: „Die überlebenden 39 Mitglieder in Wien appellieren an alle ehemaligen Freunde des ‚Alpenvereins Donauland‘ um moralische und finanzielle Unterstützung.“ Auch Rudolf Reif und Viktor Frankl stoßen wieder dazu und unternehmen gemeinsam mit ihren Ehefrauen Hedy und Elly viele Touren. Die drei enteigneten Hütten, Glorer-Hütte, Friesenberg-Haus und Donauland-Hütte, werden zurückgegeben. Doch der Alpenverein Donauland, „ein ethischer Begriff und ein kulturelles Programm“, ist ein Schatten seiner selbst und seine Auflösung 1976 „eine Spätfolge des Nationalsozialismus, der ihm zwischen 1938 und 1945 durch Vertreibung und Ermordung eine langfristig tragfähige Mitgliederbasis entzogen“ hat.

„Niemand kann dafür verantwortlich gemacht werden, was seine Eltern oder gar seine Großeltern getan beziehungsweise zu tun veranlassen haben, und so kann denn auch nicht der Alpenverein heute dafür zur Verantwortung gezogen werden, dass von seinen Funktionären vor 2 Generationen der Arierparagraph eingeführt wurde“, meinte Viktor Frankl 1987, auch als ehemaliges Mitglied von Donauland, in seiner Festrede auf der Hauptversammlung des Österreichischen Alpenvereins. Er streckte damit – als Opfer – seine Hand versöhnend aus. Es war die Initialzündung für die späte, aber gründliche vereinsinterne Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verstrickungen, die schließlich 2011 in dem von den Alpenvereinen Österreichs, Deutschlands und Südtirols gemeinsam herausgegebenen Buch „Berg Heil!“ einen Höhepunkt fand. Dass der Alpenverein Edelweiss nun der Donauland-Hütte seine Geschichte zurückgibt und für alle Menschen und Mitglieder öffnet, ist ein weiteres starkes Zeichen. Seit seiner Gründung 1946 steht der Alpenverein Edelweiss für ein faires Miteinander, Gemeinsamkeit und Respekt, Bewegung in der Natur und Erhalt der alpinen Landschaft. Nicht zuletzt durch die Übernahme der symbolträchtigen Donauland-Hütte sollen diese Werte weitergeführt werden.

Die Geschichte der Donaulandhütte:

von Michael Guggenberger – ÖAV Mitarbeiter Archiv und Museum

Donaulandhütte 1927zoom
Donaulandhütte 1927
Skihütte des A. V. Donaulandzoom
Skihütte des A. V. Donauland
 

Es ist „notwendig, den ‚Alpenverein Donauland und sein sichtbares Zeichen, den Hüttenbesitz, als Symbol und Denkmal zu erhalten, als Symbol für die Freiheit in den Bergen und ein Denkmal für diejenigen, die für die Freiheit in den Bergen gegen die Nazibarbaren gekämpft haben“, so Donauland-Obmann Fritz Benedikt 1947. Genau diesem Gedanken folgt die Sektion Edelweiss des Österreichischen Alpenvereins, denn sie hat die Donauland-Hütte auf der Hinteralm aus Privatbesitz erworben und gibt damit dem Alpenverein auch ein Stück Geschichte zurück:

Die von jüdischen und liberalen Bergsteigern gegründete Sektion Donauland hatte im Herbst 1922 die Schliefsteiner-Hütte, eine Alm, gepachtet und als Skihütte adaptiert, später als vom Alpenverein ausgestoßener „Alpenverein Donauland“ sogar erworben: Sie bietet anfangs „etwa 20 Personen Unterkunft, Decken und Geschirr sind auf der Hütte“, für Jung und Alt werden Skikurse abgehalten. 1 Schilling und 20 Groschen pro Nacht inklusive Heizung zahlen „Donauländer“ und Mitglieder befreundeter Vereine. 1938 durch die Nationalsozialisten enteignet, wird die Donauland-Hütte zur „Ostmark-Hütte“, zunächst des Ostmärkischen Gebirgsvereins, dann der Bergsteigervereinigung des Alpenvereins. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird sie zurückgegeben und schließlich 1968 von Donauland an die ÖAV-Sektion Wiener Lehrer verkauft. Warum? Die wenigen verbliebenen Vereinsmitglieder sehen sich einfach nicht mehr imstande, die urige Skihütte zu erhalten. Sie wird am 25. Mai 1969 feierlich übernommen, in den folgenden Jahren zur Jugendherberge ausgebaut und 1994 an die Familie Kitzinger verkauft, die weitere Verbesserungen vornimmt.

Doch schon 1949 war die Donauland-Hütte zentral geheizt und mit acht Betten plus 20 Matratzenlagern ausgestattet, bald darauf sogar mit elektrischem Licht. Der Alpenverein Donauland konnte stolz bekannt geben: „Die von unserem Pächter Martin Holzer bestens bewirtschaftete und gut eingerichtete Hütte ist bis Ende April infolge ihrer schneesicheren Lage für Winteraufenthalte hervorragend geeignet. Prachtvolle Skitourenmöglichkeiten im gesamten Schneealpenstock.“ Holzer, Bergbauernsohn und – das ist in diesem Zusammenhang wichtig – Wehrmachtsdeserteur, unterhält von 1951 bis 1960 als Hüttenwirt seine Gäste mit Zitherspiel und Gesang. Bei bester Atmosphäre ist die Hütte vor allem an Wochenenden voll. Dazu tragen auch maßgeblich die wenigen Donauländer unter den Hüttenbesuchern mit ihren humorvollen „Gschichtln“ bei. Denn ihre Lebenslust und ihren Humor haben sich die alten Bergsteiger durch all die erlebten Schrecken der Nazizeit nicht nehmen lassen, ganz im Gegenteil, sie versprühen beides geradezu als Heilmittel. Allen voran Bergführer Rudi Reif, der immer „voller Gaudi“ ist und es – wie schon vor dem Krieg und seiner Flucht als Jude nach Schanghai – bestens versteht, alle am Tisch mit launigen Berggeschichten in seinen Bann zu ziehen.

Pächter Martin Holzer hielt mit dem von ihm und seiner Frau selbst eingerichteten Museum in Neuberg a. d. Mürz die Erinnerung an Donauland wach, nun ist es der Alpenverein Edelweiss (mitsamt seiner jetzigen Gruppe „Wiener Lehrer“), der mit dem Erwerb der Donauland-Hütte den nächsten Schritt setzt. Das Erinnern ist die Voraussetzung für eine unerschütterlich offene humanistische Lebenshaltung, die im zeitlosen Motto von Donauland so treffend ausgedrückt wird: „Freie Bergsteiger in freien Bergen zu sein“. Beherzigen wir sie alle!

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