Über Wiesen
Obwohl bereits seit Jahrzehnten Geschichte, ist der Eiserne Vorhang immer noch in unseren Köpfen präsent und wir suchen unsere Ausflugsziele meist diesseits der Grenze. Grund genug – gerade in Zeiten, in welchen Grenzzäune wieder aufgebaut werden – einen mehrtägigen Blick auf die slowenische Seite der Štajerska zu werfen. Ein Tourenbericht und -tipp.
Der Šentiljska Pot ist ein etwa 55 Kilometer langer Rundwanderweg durch die Gemeinde Šentilj (St. Egidi) am nördlichen Rand der Slovenske gorice (Windische Bühel). Einen großen Teil der Nordgrenze der Gemeinde bildet die Mur und damit auch die Staatsgrenze zu Österreich, die uns im Laufe der Wanderung immer wieder begegnet. Der durch den Grenzübergang bekannte Hauptort befindet sich im Westen des Gemeindegebiets, welches sich bis in den Bereich von Mureck ausdehnt.
55 Kilometer in 3 Tagen? Das sollte sich doch locker ausgehen! Tut es auch, aber man sollte die Anzahl der Höhenmeter nicht unterschätzen, welche die slowenische Hügellandschaft für uns versteckt hält.
Der Schienenersatzverkehr der slowenischen Eisenbahn setzt unsere kleine Wandergruppe am frühen Morgen des Allerseelentages im etwas verschlafenen Örtchen Cirknica ab. Auf Grund der besseren Verkehrsverbindung, wandern wir die erste Etappe entgegen des Uhrzeigersinns.
Ein kleines Sträßchen führt uns auf einen Höhenrücken und wäre die Landschaft jetzt nicht gerade in flauschigen Novembernebel gehüllt, ließe hier gut die Charakteristik dieses Weges erkennen. Hügelkette reiht sich an Hügelkette, darauf Wälder und Weingärten, dazwischen immer wieder kleine Bauernhöfe. Viele dieser Hügel werden wir heute erwandern, meist nur kurz doch dafür zahlreich sind die Auf- und Abstiege dazwischen. Kann denn ein Weg, der kaum die 400-Meter-Marke überschreitet wirklich so anstrengend sein?
Für den Šentiljska Pot gibt es einen Stempelpass, die Stempel befinden sich entweder in Kästchen am Wegesrand oder sind bei Buschenschänken / Bauernhöfen (kmetije) zur erfragen. In letzteren Fällen tut man gut daran, etwas Zeitreserve einzuplanen, denn selten läuft diese Prozedur ohne Einladung auf ein ‚Glaserl‘ oder sogar eine kleine Jause ab.
Kommen Sie mit! werden wir auch gleich bei unserer zweiten Stempelstelle (Kmetija Gaube) vom Hausherrn höflich aufgefordert und finden in der warmen Stube nicht nur den Stempel vor, sondern bekommen der Reihe nach Heidelbeerlikör, Brot mit Leberpastete und Fruchtsaft kredenzt – alles selbst gemacht! Von Bezahlung will man natürlich partout nichts wissen, es gelingt uns jedoch, unser schlechtes Gewissen mit einem unauffällig unter einem Teller versteckten Geldschein zu beruhigen.
Die Gastfreundschaft der Slowenen ist wirklich sprichwörtlich und blickt man in die Logbücher der Stempelstellen, wird der Weg auch nicht allzu oft begangen. Somit nimmt sich jeder gerne die Zeit für eine kurze Plauderei mit den Wanderern, Deutsch spricht hier übrigens (fast) jeder.
Der Weiterweg führt uns über Vranji Vrh zur Wallfahrtskirche Maria Schnee (Marija Snežna) in Zgornja Velka, wo wir uns in der Picerija für den restlichen Wandertag stärken. Trotz eher unfreundlicher Wetterprognose, blieb es bisher trocken, sogar einige Sonnenfenster waren uns vergönnt. Erst bei einsetzender Dämmerung lässt es der Hochnebel ein wenig nieseln. Über die Murbrücke bei Mureck zweigen wir nach Österreich ab, wo wir Quartier beziehen.
Auch heute lautet unser Tagesziel Mureck, allerdings auf einer nördlicheren Route als gestern. Nach einem zweiten Frühstückskaffee in Šentilj wandern wir durch schöne Wälder auf den Bubenberg, wo es historische Ausgrabungen und Hügelgräber zu bestaunen gibt. Schließlich steigen wir steil zur Mur(a) ab.
Die Hoffnung auf eine gemütliche Uferwanderung währt nur kurz, denn schon wenig später führt der Weg wieder bergauf, erst nach der Ortschaft Ceršak dürfen wir länger durch die Auwälder spazieren, bevor wir den (an nebelfreien Tagen) aussichtsreichen Beli Vrh erklimmen. Wieder im Tal passieren wir die Murfähre (Überfahrtmöglichkeit zum steirischen Ufer) und durchqueren den Ort Sladki Vrh, um anschließend erneut in den Auwald zu gelangen.
Ein Stempel erfordert schließlich einen Abstecher hinauf zur Kmetija Sirk, wo wir uns wieder unserem Schicksal ergeben müssen – eine Verkostung des gesamten Weinsortiments (und dann waren da auch noch Schinken, Speck und Käse…) lässt es draußen stockdunkel werden, woraufhin wir die letzten Kilometer nach Mureck lieber auf der Straße anstatt dem Waldweg zurücklegen.
Wieder lassen wir den Tag in Cirknica beginnen, heute schließen wir mit dem Westteil der Runde ab. Wir bekommen bei der kleinen Kapelle Brloga nicht nur unseren letzten Stempel, sondern stehen auch am höchsten Punkt (426 m) des Šentiljska Pot. Durch steile Weingärten gelangen wir zurück an die Staatsgrenze zu Österreich, der entlang wir zurück nach Šentilj folgen um unsere Runde zu beschließen.
Mittlerweile sind die sechs goldenen Wanderabzeichen mit den Nummern 988 bis 993 bei uns eingetroffen und ebenso viele zufriedene Wanderer haben sich versprochen, nicht zum letzten Mal in dieser Ecke Sloweniens zu Gast gewesen zu sein.
Gert Kienast
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