Im Frühsommer
2019 wurde das Naturschutzgebiet „Gipslöcher“ in Lech still und leise von der
Landesregierung um 900 m2 verkleinert.
In der Natur nicht viel, jedoch für Natur und Landschaft unter Umständen mit
schwerwiegenden Folgen: benötigen doch die Schilifte Oberlech dieses Fleckchen
Erde, um die Grubenalpbahn nach ihren Vorstellungen erneuern zu können. Und
ohne Verkleinerung des Schutzgebietes wäre dieses Vorhaben von Beginn an zum
Scheitern verurteilt, denn es ist laut Naturschutzverordnung verboten, im
geschützten Teil Aufstiegshilfen und Schipisten zu errichten.
Im Vorfeld gab es zwei Gutachten (siehe Ende des Berichtes) von den Naturschutzbeauftragten der BH Bludenz. Beide kamen zum Schluss, dass „aufgrund der Natürlichkeit, der Einzigartigkeit, des hohen ästhetischen Eigenwertes und der Schutzwürdigkeit die landschaftsbildliche Empfindlichkeit des Naturschutzgebietes als hoch einzustufen ist. Die Errichtung der Grubenalpbahn beeinflusst das Landschaftsbild dauerhaft nachteilig und ist somit nicht mit dem Schutzzweck des Gebietes vereinbar“ (s. Gutachten BHBL-II-960-145/2015-15 v. 16.5.2017). Im zweiten Gutachten vom 22.12.2017 (BHBL-II-960-145/2016-36) heißt es weiter: „Die Errichtung der Seilbahn innerhalb des Schutzgebietes entspricht nicht der Fürsorgepflicht und Schutzverantwortung für ein Naturschutzgebiet von überregionalem Wert“.
Alpenkonvention wird ignoriert
Auch verbietet
der Artikel 11 Abs. 1 des Bodenschutzprotokolle der Alpenkonvention die
Verkleinerung des Naturschutzgebietes: „die Vertragsparteien verpflichten sich,
bestehende Schutzgebiete im Sinne ihres Schutzzweckes zu erhalten, zu pflegen
und, wo erforderlich, zu erweitern sowie nach Möglichkeit neue Schutzgebiete
auszuweisen. Sie treffen alle geeigneten Maßnahmen, um Beeinträchtigungen oder
Zerstörungen dieser Schutzgebiete zu vermeiden“.
Eigentlich eine
unmissverständliche Formulierung, würde man meinen. Und trotzdem haben LR Rüdisser und sogar
unser Grünenlandesrat Rauch einer „kleinräumigen Korrektur der Schutzgebietsfläche“
zugestimmt. Rüdisser gibt unumwunden zu, dass dies im Interesse des Tourismus
geschehen ist (s. ORF v. 22.5.2019), Rauch schreibt, dass das Projekt damit in
einer Weise automatisch genehmigt sei. Es müsse das vorgeschriebene Verfahren
abgewickelt werden.
Für mich ist diese Vorgangsweise ein weiterer Beweis, dass die Alpenkonvention, welche immerhin seit 18.12.2002 österreichisches Recht darstellt, von den Verantwortlichen im Ländle permanent ignoriert wird. Auch ist es für mich äußerst befremdend, dass ausgerechnet unser „Grünenchef“ Johannes Rauch diese Vorgangsweise unterstützt, wobei die „Grünen“ sich stets für den Naturschutz stark gemacht haben. Diese Verkleinerung des Naturschutzgebietes bedeutet ein starkes Signal an die BH Bludenz, dass das Projekt politisch gewünscht ist. Und dass diese Bahn in Folge auch genehmigt wird, davon darf ausgegangen werden. Denn in den vergangenen Jahren hat in der verpflichtenden Interessensabwägung in naturschutzrechtlichen Verfahren immer die Natur den Kürzeren gezogen.
Weiters frage ich mich, wann die Landesregierung endlich bereit ist, die Tourismusstrategie 2020 umzusetzen. Hier heißt es: Vorarlberg bekennt sich zu einem nachhaltigen Tourismus und jeder Gast soll unser Land bei jedem Besuch stets neu als Maßstab u.a. für nachhaltigen Tourismus erleben. Bis heute blieb dieser Vorsatz leider nur ein Lippenbekenntnis.
Übergabe an Landesvolksanwalt
Ich habe Mitte
September diese Angelegenheit dem Landesvolksanwalt übergeben. Dieser kann zwar
den Fall an den Verfassungsgerichtshof weiter leiten, eine zwischenzeitlich
erteilte Baugenehmigung kann damit
jedoch nicht rückgängig gemacht werden. Somit könnte es passieren, dass
künftig ein Schilift ein Naturschutzgebiet durchschneidet, in dem der Bau von
Schiliften und Pisten verboten ist.
Der im Laufe des heurigen Jahres zu erwartende Bewilligungsbescheid wird sicher vom Alpenverein beeinsprucht. Somit bleibt noch der winzige Hoffnungsfunke, dass der Landesverwaltungsgerichtshof eine allfällige Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes abwarten wird.
Gerhard Kaufmann
Landesnaturschutzreferent
Naturschutzgutachten 22.12.2017