"Kletterpartner für 3 Uhr früh gesucht"
[25.10.2017] Vor einigen Tagen stolperten wir über eine Meldung in einem Online-Kletterforum: Jemand war auf der Suche nach einem Kletterpartner für eine Mehrseillängenkletterei im 7. Grad, bis dahin nichts Außergewöhnliches.
Was uns stutzig machte, war der Zeitpunkt: "Mittwoch oder Donnerstag Nacht", mit Stirnlampenstart um 3 Uhr früh. "Ich bin der Meinung, dass Schlafen überbewertet wird", schrieb der Autor.
Scherz war das keiner, schnell fanden sich die ersten Interessenten und irgendwann erschien auch ein Stirnlampenkletter-Fotoalbum auf der Profilseite des Kletterers.
Im Gespräch mit Andreas Jentzsch von bergsteigen.com bestätigte sich die Ahnung, dass das Nachtklettern vor allem im Wiener Raum bereits einige Fans gefunden hat.
Das "Early-Morning"- und sehr späte "After-Work"-Klettern scheint für eine (kleine) Gruppe von Kletterern zur Work-Life-Balance dazuzugehören, die langen Arbeitstage und der Freizeitstress werden durch ein Kletterabenteuer aufgewertet und entzerrt – wenn’s sein muss, auch bei Nacht. Die Notwendigkeit eines frühen Aufbruchs, die etwa auf Hochtouren aus Sicherheitsgründen gegeben ist, ist beim Klettern von Plaisirrouten am Fels allerdings kaum zu rechtfertigen.
... wurden wir gefragt.
Das pauschal zu beantworten, ist nicht ganz einfach. Bei einem mittäglichen Gespräch haben sich für die Bergfexe aus unserer Bergsportabteilung und die leidenschaftlichen Naturschützer aus der Abteilung Raumplanung & Naturschutz aber relativ schnell vier Punkte herauskristallisiert:
Ganz klar: Auch die Tierwelt braucht ihre Ruhephasen, vor allem zu den Nachtzeiten. Für die Tiere sind gerade in touristisch und alpinistisch frequentierten Gebieten Zeiten ohne Geklimper, Stimmen und Lichtkegel eine Wohltat, oft sogar eine Überlebensfrage.
Dessen sollte man sich immer bewusst sein, wenn man ihren Rückzugsraum betritt. Das Wild (und auch die Jäger) werden's den Bergsportlern danken!
Was uns im Sinne eines guten und friedlichen Miteinanders zusätzlich am Herzen liegt: In manchen Kletterregionen (wie Dürnstein in der Wachau) gelten besondere Vereinbarungen – etwa ein Betretungsverbot außerhalb der angegebenen Zeiten oder Einschränkungen in ausgewiesenen Schutzzonen und Sperrgebieten.
Wir bitten die Bergsportler dringend, sich an diese Vereinbarungen und regionalen Regelungen zu halten! Nur so können wir weiterhin ein konfliktfreies Miteinander (mit Grundeigentümern, Jägern und anderen Lebensraumpartnern) gewährleisten und müssen nicht die Verweisung aus beliebten Gebieten riskieren.
Informationen zu den Regelungen findet man direkt vor Ort, in den Tourenportalen oder bei den zuständigen Vereinen und Institutionen.
Eigentlich logisch: Bohrhaken, Markierungen, Steinmänner etc. sind auch mit einer leistungsfähigen Stirnlampe bei weitem nicht so leicht auffindbar wie am Tag. Auch Tritte und Griffe wirken im Schein der Lampe nicht mehr ganz so vertrauenerweckend wie im Sonnenlicht.
Wer aus triftigen Gründen tatsächlich in der Nacht aufbrechen muss, steigt besser in eine Route ein, die er zumindest schon einmal bei Tag verinnerlicht hat – und packt auch seinen Rucksack so, dass er für die kälteren Nachtstunden gut ausgerüstet ist.
Nicht nur an der Martinswand nahe Innsbruck schon öfter vorgekommen: Ein Talbewohner sieht umherirrende Lichtkegel am nächtlichen Klettersteig, vermutet einen Notfall und alarmiert die Bergrettung. Die rückt umgehend aus, erklettert die Wand und entdeckt zwei überraschte Kletterer, die sich eigentlich nur ein spätes Workout im Finstern gönnen wollten.
Im Sinne der Bergretter raten wir dringend, vor solchen nächtlichen Ausflügen zumindest mit einem kurzen Anruf bei der örtlichen Bergrettung Bescheid zu geben. Das erspart so manchen unnötigen Rettungseinsatz.
Und ein Hinweis, falls es doch ungeplant ernst wird: Hubschraubereinsätze sind in der Nacht nur schwer möglich, auch objektive Gefahren wie Steinschlag sind für die Bergretter im Finstern schwer zu erkennen. Eine notwendige Bergung wird also mit ziemlicher Sicherheit mehr Zeit in Anspruch nehmen.
Gegenseitige Rücksichtnahme, Respekt und entsprechende Vorbereitung: Was schon bei Tag selbstverständlich sein sollte, gilt also (umso mehr) auch in der Nacht. In sensiblen Gebieten könnten gröbere Verstöße auch ein generelles Kletterverbot nach sich ziehen – bitte seid euch dessen bewusst und lasst nicht zu, dass der Egoismus einiger die Freiheit vieler aufs Spiel setzt!
Auch wenn die Tage kürzer werden: Wir hoffen, dass sich trotz so mancher Flucht in die Nachtstunden noch genügend Gelegenheiten ergeben, die Berge bei Tageslicht zu erleben – da sind sie nämlich am schönsten! ;)
*) Viele dieser Empfehlungen gelten übrigens nicht nur für das Felsklettern und Bergsteigen, sondern lassen sich natürlich auch auf die Nacht-(Pisten-)Skitouren im Winter umlegen.