[16.09.2016] Felsstürze, Muren, Gletscherschwund: Die klimatischen Veränderungen in den Alpen stellen nicht nur die Bewohner der alpinen Regionen, sondern auch den lokalen Tourismus vor immer neue Herausforderungen. Bei der Jahrestagung der Bergsteigerdörfer von 15.-18. September in Vent im Ötztal standen die Effekte des Klimawandels im Mittelpunkt. Hochkarätige Referenten wie Gletscherforscher Gerhard Lieb, Meteorologe Andreas Jäger, Generalsekretär der Alpenkonvention Markus Reiterer sowie Helmut Hojesky und Ewald Galle vom Lebensministerium diskutierten mit Praktikern aus den Bergsteigerdörfern des Österreichischen Alpenvereins über die Chancen und Risiken für den nachhaltigen Tourismus.
Die
Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus in den Alpen waren das
zentrale Thema der Jahrestagung in Vent. Gemeinsam erörterten Gastgeber,
Touristiker, Hüttenwirte und Vereinsvertreter aus dem Umfeld der
Bergsteigerdörfer, wie man den veränderten Rahmenbedingungen entgegen
treten und den wachsenden Herausforderungen, vor allem im
Wintertourismus, begegnen kann.
Die vom Österreichischen Alpenverein als "Bergsteigerdörfer"
ausgezeichneten Gemeinden sehen sich dabei in einer vergleichsweise
glücklichen Position, erklärt Gerald Dunkel-Schwarzenberger,
Vizepräsident des Alpenvereins: "Sanfte Tourismusmodelle wie dieses
haben sich bei weitem nicht so abhängig gemacht von künstlichen
Erlebniswelten und optimierten Abenteuerlandschaften. Wenn es in einem
Bergsteigerdorf etwa einen Winter lang nicht schneit, bleiben die Gäste
nicht völlig aus. Die Gemeinden haben ihr Tourismuskonzept auf
naturnahen Alternativen aufgebaut – schließlich kann man die Bergwelt
auf verschiedenartigsten Wegen erleben, dazu braucht es keine
Schneegarantie."
Die Gefahren der Wetterextreme seien jedoch auch
in nachhaltigen Tourismusregionen gegeben. Dafür müsse man sich
wappnen, so Dunkel-Schwarzenberger. Der Alpenverein reagiert auf
Veränderungen – etwa das Auftauen des Permafrostes, Vermurungsgefahren,
Gletscherschwund und schwankende Wasserversorgung – bereits mit
Wegverlegungen und entsprechenden Vorkehrungen im Hüttenbau.
Die Bergsteigerdörfer setzen auf einen sanften, nachhaltigen Tourismus. 20 Orte in Österreich bemühen sich seit 2008, die Protokolle und Deklarationen der Alpenkonvention umzusetzen und dem Massentourismus eine zukunftsfähige Alternative entgegenzubringen. Der Beitritt des ersten Deutschen Bergsteigerdorfes (Ramsau bei Berchtesgaden) und die Verhandlungen mit den Nachbarvereinen Deutscher Alpenverein (DAV) und Alpenverein Südtirol (AVS) setzten einen wichtigen Schritt in der engen internationalen Zusammenarbeit mit der Alpenkonvention.
Im Zuge der Jahrestagung in Vent wurde das Engagement des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) nun auch offiziell anerkannt: Das unterzeichnete "Memorandum of Understanding" besiegelt die Zusammenarbeit von Alpenvereinen und Alpenkonvention. Bevölkerung und Gäste sollen für den Schutz des Alpenraums sensibilisiert und die weitere Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus in den Alpen ermöglicht werden.
"Die Bergsteigerdörfer-Idee ist gelebte Alpenkonvention! Dabei geht es nicht nur um den Tourismus, sondern um praktizierte Nachhaltigkeit im Leben einer Gemeinde", betont Markus Reiterer, Generalsekretär der Alpenkonvention. "Die Bergsteigerdörfer-Familie ist am Wachsen. So wurde mit Ramsau bei Berchtesgaden erstmals der Sprung über Österreichs Grenzen hinaus geschafft. Und diese Entwicklung wird sich auch in anderen Alpenländern fortsetzen. Ich bin überzeugt, dass damit auch die Idee der Nachhaltigkeit weiter getragen und gestärkt wird. Ich freue mich sehr, dass wir durch dieses Memorandum die gute Tradition der Partnerschaft noch weiter vertiefen", so Reiterer.
Auch Gerald Dunkel-Schwarzenberger vom Österreichischen Alpenverein zeigt sich über die gemeinsame Vereinbarung sehr erfreut: "Im Grundsatzprogramm von ÖAV, DAV und AVS bekennen sich die Alpenvereine zur Förderung eines umweltverträglichen Bergsports. Dabei steht das Zusammenspiel zwischen den lokalen Traditionen der einheimischen Bevölkerung sowie einer ökologisch ausgerichteten Berglandwirtschaft in engem Zusammenhang mit einer angemessen Form von Tourismus, die weder ausbeutet noch zerstört."
"Das Projekt Bergsteigerdörfer versucht, all diese Punkte umzusetzen und Vorbild für andere zu sein. Es ist sehr schön zu sehen, dass der Grundgedanke, gerade kleine und etwas abseits gelegene Orte in ihrer Regionalentwicklung zu fördern, geglückt ist. Das große Interesse unserer Nachbarn in Deutschland und Südtirol sowie das 'Memorandum of Understanding' mit der Alpenkonvention bestätigen uns auf unserem Weg", so Dunkel-Schwarzenberger.
Das Projekt erfährt zudem große Unterstützung aus dem Ministerium für ein lebenswertes Österreich. Dazu Ewald Galle, Focal Point Alpenkonvention im Lebensministerium: "Die Initiative der Bergsteigerdörfer beweist eindeutig die Tauglichkeit der Alpenkonvention und ist Impulsgeber für weitere erfolgreiche Projekte. Das zeigt auch das internationale Interesse. Wir hoffen, dass es zu einer dauerhaften Etablierung der Marke 'Bergsteigerdörfer' kommt, getragen von den Gemeinden und Tälern."