Wann verwenden wir Steigeisen?
Im gut zu spurenden Schnee, im aufgeweichten Firn oder auf griffigem Eis können wir uns, solange wir guten Halt haben und uns sicher fühlen, ohne Steigeisen fortbewegen. Gehen ohne Steigeisen ist ökonomischer und weniger verletzungsanfällig, birgt aber erhöhte Ausrutschgefahr. Neben dem Untergrund (Schnee- und Eisqualität) entscheidet die Hangsteilheit darüber, ob wir besser Steigeisen verwenden.
Firn ist nach einer klaren Nacht infolge der Abstrahlung hart gefroren, weshalb wir Steigeisen benötigen. Derselbe Hang kann am Nachmittag durch die Sonne aufgeweicht und dann ohne Steigeisen sicher zu begehen sein. Ein aperer Gletscher ist nach Regen, wenn dieser bei niedrigen Temperaturen am Eis anfriert, ohne Steigeisen nicht begehbar (blau schimmerndes Eis), wenige Stunden später durch Auftauen (milchiges Eis) hingegen problemlos. Die Verwendung von Stöcken oder eines Pickels kann uns zusätzliche Stabilität geben, wobei wir nicht versuchen, fehlende Trittsicherheit mit Armarbeit wettzumachen.
Zwei Grundtechniken
Wir setzen Steigeisen also nur dort ein, wo sie sinnvoll und notwendig sind und achten penibel auf eine saubere Steigeisen-Gehtechnik. Dabei unterscheiden wir zwei Grundtechniken. Bis ca. 35 Grad Hangsteilheit verwenden wir die Vertikalzackentechnik, darüber die Frontalzackentechnik.
Die Vertikalzackentechnik (auch "Eckenstein"-Technik genannt) wenden wir bis ca. 35° Steilheit an. Dabei werden alle vertikalen Zacken des Steigeisens gleichzeitig auf der Eisoberfläche aufgesetzt. Im geneigten Gelände erfordert dies eine gute Beweglichkeit im Sprunggelenk.
Beim Abstieg achten wir ebenfalls darauf, dass alle
vertikalen Zacken zum Einsatz kommen. Die Beine sind etwas angewinkelt,
die Füße bilden eine leichte V-Stellung, der Oberkörper ist nach vorne
gebeugt. Damit alle Vertikalzacken sicheren Halt im Eis finden, muss der Körperschwerpunkt über den Füßen sein.
Vertikalzackentechnik im Abstieg. Je steiler das Gelände, desto stärker müssen wir Knie- und Hüftgelenk beugen und den Rücken krümmen.
Wird das Gelände steiler als ca. 35 Grad, kommen die
Frontalzacken zum Einsatz, denn wir können nicht mehr alle Vertikalzacken zuverlässig ins Eis bringen. Dabei werden die Steigeisen mit dosierter
Kraft ins Eis gestoßen, so dass wir sicher auf den vordersten zwei Zackenpaaren stehen. Die Ferse hängt dabei leicht nach
unten und die Fußachse darf nicht seitlich verdreht sein.
Durch die Hebelwirkung der Frontalzacken wird die Wadenmuskulatur stark beansprucht, weshalb wir die Steigeisen vorzugsweise in flache Stellen und Dellen platzieren. Die Knie sind in der Grundstellung leicht gebeugt, die Hüfte befindet sich nahe am Eis, der Oberkörper lehnt etwas nach außen.
Im Abstieg kommt dieselbe Technik zum Einsatz, nur die Schrittlänge sollte etwas kleiner als im Aufstieg sein.
Stürze, als Folge von Ausrutschen oder Stolpern, sind die häufigste Unfallursache am Berg. Zu hohes Tempo oder Müdigkeit können die Trittsicherheit und Konzentration zusätzlich stark beeinträchtigen. Der sichere Einsatz von Steigeisen und Pickel erfordert daher intensives Training.
Als kleinste Einheit, um eine Hochtour erfolgreich absolvieren zu können, kann die Verlagerung des Körperschwerpunkts angesehen werden, die umso anspruchsvoller wird, je steiler und inhomogener das Gelände wird. Wollen wir sicher und ökonomisch unterwegs sein, müssen wir an der Verbesserung der Trittsicherheit arbeiten.
Zu große Abstände zwischen den einzelnen Tritten sind unvorteilhaft, da die vermehrt geleistete Hubarbeit uns schneller ermüden lässt. Die Zeit, in der wir infolge der aufgebrachten Bewegungsenergie etwas instabil sind, wird dadurch unnötig verlängert. Zudem sollte die Lastübertragung nicht hastig, sondern kontrolliert und gleichmäßig erfolgen.
Um auch beim Abstieg den Körperschwerpunkt immer über den Füßen zu haben – "nose over the toes" – beugen wir die Knie und Hüfte noch stärker als beim Aufstieg und lehnen unseren Oberkörper nach vorne. Dadurch verhindern wir, vor allem mit schwerem Rucksack, uns zu weit zurückzulehnen und in der Folge auszurutschen.
Befolgen wir diese Grundregeln, können wir uns rhythmisch und damit ökonomisch, sicher und effizient in jedem Terrain bewegen.
Ausrutscher müssen wir im steileren Firn unbedingt vermeiden, da wir fast wie im freien Fall beschleunigen. Ein Sturz kann nur mehr mit Mühe und Glück mit der Liegestütztechnik gestoppt werden, vorausgesetzt, der Schnee ist nicht zu hart. Bei hartem Firn hilft nur der Pickel, mit dem wir, richtig eingesetzt, den Sturz abbremsen können.
Es gilt, den Körper sofort in Bauchlage (Liegestützposition) zu bringen und den Sturz mit dem Pickel zu bremsen. Keinesfalls darf mit den Steigeisen gebremst werden, da sonst die Gefahr besteht, im Firn hängen zu bleiben und sich zu überschlagen.
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