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Pure Vernunft darf niemals siegen

oder: Auf den Spuren Walter Bonattis

 

von Hannes Hirschbichler

 

 

 

 

Die grässliche Kälte lähmt uns. Immer wieder werden wir von Schaudern geschüttelt. Mehrmals bemerke ich, dass ein Arm oder ein Bein gefühllos wird, dann kämpfe ich gegen die drohende Erstarrung. Häufig genügt es nicht, das gefährdete Glied zu bewegen oder es kräftig zu massieren. Dann nehme ich den Pickel und klopfe damit auf die gefühllosen Körperteile.

 

 

Kann einen diese Textpassage wirklich dazu verleiten, selbst einmal ein Winterbiwak erleben zu wollen?

Offensichtlich ja, denn Christophs Gesichtsausdruck verrät mir, dass er die Frage ernst gemeint hat. Wos moanst?

Eder Christoph, besser bekannt als Schoiner Stoffei, der jüngste der drei Schoiner Briada, hat gerade Walter Bonattis Buch Berge meines Lebens gelesen und erklärt mir seinen wahrlich durchdachten und ausgeklügelten Plan:

Im Winter auf einen der Leoganger Steinberge, wenn nötig ein Schneeloch graben, auf die Nacht warten und ausharren, bis es wieder hell wird.

Über die restlichen Kleinigkeiten kann man ja noch reden...

 

Ob es an Stoffeis begeisterter Schilderung oder vielleicht doch an der sauerstoffarmen Luft in der Leoganger Kletterhalle lag, lässt sich heute nicht mehr genau sagen.

Jedenfalls musste ich nicht lange überlegen. jo, des kunnt ma eigntlich probiern!

Damit war die Sache besiegelt, Rückzieher ausgeschlossen und Relativierungsversuche unerwünscht.

 


 

Das ist jetzt zwei Jahre her, dazwischen liegen einige arbeitsreiche Monate, 2 unabhängige Weltreisen und ein viel zu milder Winter.

Dinge, die Pläne wie diese erst auf Eis legen und schließlich im Sande verlaufen lassen

Es gibt immer Gründe, irgendetwas nicht zu tun, zu warten oder vernünftig zu sein. Das können kleine Gründe sein oder große triftige Gründe wie Verantwortung, Kinder oder Karriere.

Ich bin der Meinung, dass es keine Rolle spielt, ob es um eine  Kletterreise nach Thailand, eine Fahrraddurchquerung von Australien oder um eine Biwaknacht geht.

Lebendig zu sein heißt für mich, sich wichtige Dinge und Pläne nicht vorzuenthalten. Das mag für manche unvernünftig klingen, aber um eine Hamburger Band zu zitieren: Pure Vernunft darf niemals siegen!

 

Aus diesem Grund stehen wir jetzt zur Wintersonnenwende am Vormittag auf dem Parkplatz neben dem Hackererbauern in Weißbach.

Im Rucksack liegen neben Biwaksack, Kocher und ein paar Sonnwendfeuern auch der obligate Flachmann mit Schoinerobstler und, zwegs da Gmiatlichkeit, eine Flasche halb gefrorener Sepp Moser. (aus Gewichtsgründen in eine Petflasche umgefüllt, selbstverständlich!)

 

Wer die Tour aufs Birnhorn kennt, kennt auch die Murkserei im ersten Drittel durch felsdurchsetzten Wald.

So stehen wir aufgrund mangelnder Ortskundigkeit bald vor einem senkrechten Felsband. Diese und andere kleine Widrigkeiten führen dazu, dass sich die Sache ganz schön in die Länge zieht.

Der schwere Rucksack tut das Übrige und so erreichen wir nach fast

5 Stunden kurz vor Sonnenuntergang unser Ziel, das Birnhorn.

Ich muss zugeben, dass ich am Gipfel einen kurzen Anfall von Kreislaufschwäche erleide. (Zvui g`oarbeit in letzter Zeit, de üblichen Ausredn, wissts eh)

Nach weiteren 2 Stunden ist aber die gröbste Übelkeit wieder vorbei.

Während Stoffei a bissl umadumprobiert, wie er das Fotografieren nennt, und den Biwakplatz ausschaufelt kümmere ich mich um unsere Sonnwendfeuer.

Unser Timing ist perfekt, und als die Sonne in leuchtendem Orange in den feinen Dunstschleier am Horizont eintaucht, beginnt unsere Suppe gerade zu kochen.

Das Dorf tief unter uns verschwindet langsam in der schwarzblauen Nacht und über das Tal breitet sich lautlos ein Lichtermeer aus.

Die letzten wärmenden Sonnenstrahlen verschwinden und die längste Nacht des Jahres bricht an.

Es ist genau 16.30 h.

 

21.00 h : Stoffei, moanst geht se des aus, de gonze Nocht ohne Klogeh?

I hoff scho!

02.00 h : Hannes, i muass aufs Klo und mi gfreits überhaupt nit in de Kältn aussekreiln.

            Mir brauchst hiaz sicha nit vorjammern, i woar scho dreimoi ausst!

 

05.00 h : Hannes, wia spat is oft hiaz?

          Fünfe.

          Geil, nur no 3 Stunden!

 

Nach 15 Stunden geht auch diese Nacht vorbei.

Was mich in solchen Situationen bei Laune hält ist der Gedanke an einen starken heißen Kaffee, für den ich gerade Schnee zum Schmelzen hole.

Weil ich auf Suppengeschmack in meinem Kaffee gern verzichte, habe ich am Vortag eigens für ebendiesen einen zweiten Kochtopf auf den Gipfel geschleppt.

Der Topf ist übrigens fast neu, aus teflonbeschichtetem Aluminium, eben praktisch, leicht und ideal für draußen.

 

Stoffei schaut grinsend zu, wie er noch einmal auf einem Felsband aufschlägt, ein paar Meter über ein Schneefeld rollt und schließlich in der Nordostwand des Birnhorns verschwindet.

Lach nit so bled, heit kriagst dein Kaffee mit Fettaugn!

 

Doch auch dieser kleine Zwischenfall kann das Erlebnis nicht mehr trüben.


Im Nachhinein betrachtet ist diese Idee, scheinbar unnütz und unbequem, alles andere als das.

Ein wenig Durchhaltevermögen und Offenheit vorausgesetzt, sind es genau diese Dinge, die uns zurückbringen zum Wesentlichen, zu dem was wirklich wichtig ist. Es relativiert unsere Probleme und macht offen für das Schöne, das jedem von uns zu Füßen liegt.

Jeder Einzelne hat die Wahl, ob er es zu verstehen versucht oder daran vorbeigeht.

 

Um es mit Walter Bonattis Worten zu sagen:

 

Ich bin mir sicher, dass es auf der Erde nichts gibt, das nicht allen, also nicht auch mir gehört.

Ich weiß, dass das Schöne besitzt, wer es versteht.

 

 
 
 
 

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