Wo teste man sein Limit in der näheren Umgebung am besten aus? Richtig, an einem der schwierigsten Klettersteige Österreichs und der gesamten Ostalpen. Auf den Kaiser Max-Klettersteig bei Innsbruck. An der 600 m senkrecht und teilweise überhängenden Wand erwarteten uns fast 350 m extrem ausgesetzte Kletterei und schwindelerregende Tiefblicke. Technik, Armkraft, Psyche und Kondition waren hier mehr denn je gefordert. Doch am Ende der Saison sollte das doch kein Problem sein, oder?
Am Morgen packten wir unsere sieben Sachen, stopften das Nötigste in unsere Rucksäcke und machten uns an den Aufstieg. Gerade einmal fünfzehn Minuten später hatten wir das robuste Stahlseil erreicht. Die Zeit war gekommen, die Prüfung konnte beginnen.
Die ersten Meter kletterten wir durch angenehm leichtes Gelände. Schräg nach links querten wir am Stahlseil leicht nach oben, bis uns eine erste schweißtreibende Steilstufe einen kleinen Vorgeschmack auf das gab, was uns später in viel, viel größerer Höhe noch erwarten sollte. Anschließend ging es eine lange Rampe hinauf, die nur kurz von einer heftigen C-Stelle unterbrochen wird, letztlich aber problemlos zu meistern ist. Das Ende des ersten von insgesamt drei Teilen ist dann eine Kraftprobe.
Eine knapp 40 m lange Steilpassage (zweimal D) über vertikale Platten und kaum künstliche Tritthilfen sorgen für beißende Armmuskulatur, ein schweißgebadetes T-Shirt und – beim Blick nach unten – einen doch deutlich erhöhten Puls. Ist diese Passage überwunden, kann man in einer kleinen Felsnische Luft holen und sich Gedanken darüber machen, ob man nicht doch lieber zur Kaiser-Max-Grotte hinüberklettert und den Steig verlässt. Denn was im zweiten Teil auf den Kletterer wartet ist alles andere als gemütliche Genusskletterei. Da unsere Entscheidung fest stand, stiegen wir erst einmal links zur Grotte hinauf und genossen bei einer kurzen Brotzeit die Aussicht über das Inntal.
Ihren Namen verdankt die Grotte (und daher auch der Steig) dem einstigen Kaiser Maximilian, der sich der Sage nach 1484 bei der Gamsjagd verstiegen haben soll und hier Zuflucht suchen musste, ehe ihn ein Bauernjunge nach drei Tagen und zwei Nächten aus seiner misslichen Lage befreien konnte. Glücklicherweise kann das heute nicht mehr passieren, denn die Grotte ist mittlerweile auch für Wanderer über einen gut begehbaren Pfad erreichbar. Über diesen gilt es auch abzusteigen, wenn man sich die folgenden Extrem-Klettersteig-Passagen nicht zutraut. Frisch gestärkt ging es für uns aber weiter am Stahlseil hinauf.
Obwohl der erste Abschnitt des Klettersteigs bereits ein astreiner D-Steig ist und wegen seiner nur äußerst selten verbauten Tritthilfen eine gute Klettertechnik verlangt, toppt der zweite Teil diesen noch um Längen. Zu Beginn führt er noch äußerst moderat – getreu dem Motto “die Ruhe vor dem Sturm” – im C-Bereich über den Spitz, eine kleine Felsnase, doch nur wenige Meter weiter ändert sich die Routenführung schlagartig. Das Stahlseil knickt abrupt ab und führt knapp 150 m senkrecht nach oben in Richtung Wandbuch.
Die legendäre “100-Meter-Vertikale” zählt insgesamt sieben einzelne Abschnitte, allesamt bombenschwer und in den obersten Klettersteigschwierigkeiten verordnet: D – D – D/E – D/E – E – E – E.
Zwar könnte man bereits am Wandbuch links ausqueren, doch das eigentliche Steigende befindet sich noch einmal knappe 40 m weiter oben. 40 schweißtreibende Meter übrigens. Ich sage nur: C/D – E – D. Erst dann ist es geschafft.
Nach knapp 450 Kletterhöhenmetern war wir darüber schon sehr dankbar und konnte die letzten Aufschwünge in Richtung Ausstieg wieder befreit und genüsslich klettern. Da ich eine sehr kleine Gruppe für diesen Steig mitnehmen wollte, und die dabei waren, extrem stark gewesen sind, benötigten wir für diesen Steig gerade mal 1,5 Stunden im Aufstieg.
Somit blieb noch genügend Zeit, und ich schlug ihnen mehrere Klettersteige vor. Sie haben sich Schlussendlich für den Riederklamm Klettersteig in Gerlos entschieden, wobei natürlich auch hier wieder die Schwerste Route gerademal so Ihren Ansprüchen genügte.
Bedanken will ich mich bei den Teilnehmer; Peter, Ulrich und Alexandra
Arnold Jäger