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Interview: Kurt Diemberger (Interview: Kurt Diemberger)

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Interview: Kurt Diemberger

Kurt Diemberger vital und aktiv wie eh und je

Kurt Diemberger vital und aktiv wie eh und je 
(Fotograf: Jurij Gorjanc)

Kurt als "Kameramann der Achttausender" 1978 im Everest-Basislager

Kurt als "Kameramann der Achttausender" 1978 im Everest-Basislager
(Bild aus dem persönlichen Fotoarchiv von Kurt Diembergers )

2004 im Basislager des K2.... 200 Zelte und dahinter die Chogolisa!

2004 im Basislager des K2.... 200 Zelte und dahinter die Chogolisa! 
(Bild aus dem persönlichen Fotoarchiv von Kurt Diembergers )

27. Juni 1957: Hermann Buhl am Wechtengrat der Chogolisa, kurz vor der Tragoedie

27. Juni 1957: Hermann Buhl am Wechtengrat der Chogolisa, kurz vor der Tragoedie 
(Bild aus dem persönlichen Fotoarchiv von Kurt Diembergers )

Text: Marjan Žiberna, Jurij Gorjanc
Fotos: persönliches Archiv Kurt Diembergers

Kurt Diemberger, der 2013 den Goldenen Pickel für sein Lebenswerk erhielt, ist der letzte noch lebende Teilnehmer einer Gruppe von ingesamt drei Bergsteigern, denen die Erstbesteigung von zwei Achttausendern gelang. Der berühmte Hermann Buhl (1919-1957), der 1953 den Nanga Parbat bestieg, verstarb bei der Expedition auf den Broad Peak, bei der Diemberger seinen ersten Achttausender bezwang. Während des Aufstiegsversuchs auf den noch nicht bestiegenden Chogolisa trat er auf eine Wechte und fiel über die Wand. Diemberger war der Letzte, der ihn noch lebend sah. Der andere, der wenig bekannte Sherpa Gyalzen Norbu, der 1955 mit den Franzosen auf dem Makalu war und 1956 mit den Japanern auf dem Manaslu, verstarb 1961. Diemberger hat seinen zweiten Achttausender, den Dhaulagiri als Erstbesteiger mit einer gemischten österreichisch-schweizerischen Expedition im Jahr 1960 bezwungen.

In dieser Zeit begann seine Auseinandersetzung mit dem Film, besonders mit dem Bergfilm. Später machte er das zu seinem Beruf, er widmete sich aber auch dem Schreiben von Büchern über Bergsteigerthemen. ManchesBuch wurde in bis zu ein Dutzend Sprachen übersetzt. Er war sehr lange als Bergsteiger aktiv. Besonders erfolgreich war er 1978, als er im Frühling den Makalu und im Herbst den Everest bestieg. Im darauffolgenden Jahr bezwang er den Gasherbrum II. 1986, mit 54 Jahren, war er Mitglied der tragischen Expedition auf den K2, bei der bei einem Schlechtwettereinbruch fünf Bergsteiger starben. Unter ihnen auch seine Kletterpartnerin, die Britin Julie Tullis, mit der er mehrere Jahre lang erfolgreich Filme produziert hatte. Diemberger, dessen Finger auf der rechten Hand erfroren, war einer von nur zwei Überlebenden der Expedition, der andere war der Österreicher Willi Bauer. Im Jahr 1989 erhielt er für den Film K2 – Traum und Schicksal, in dem er die Tragödie beschrieb, den Goldenen Enzian, den Hauptpreis des Internationalen Berg- und Abenteuerfilmfestivals. Auch sein Buch, das den gleichen Titel trägt, wurde ausgezeichnet.

Der in Villach geborene Diemberger, der in Wien Wirtschaft studierte, übersiedelte zu Beginn der 80-iger Jahre nach Italien, wo er mit Terese, seiner zweiten Frau, auf einem Aussichtshügel in der Nähe von Bologna ein Einfamilienhaus gebaut hat. »Wir haben eine Zeit lang in der Ebene gelebt, und wo immer ich gegangen oder gelaufen bin, bin ich schon bald vor einem Wasserkanal gestanden. Ich habe mich gefühlt wie in einem Gefängnis«, sagte er während des mehrstündigen Gesprächs, das bei ihm zu Hause stattfand, wo es sehr viele Bergbücher gibt. Das Folgende ist ein Auszug aus diesem Gespräch.

Vor der Expedition auf den Broad Peak waren Sie 25 Jahre alt und hatten keine Klettererfahrung außerhalb der Alpen. Wie kam es, dass Buhl, der schon eine sehr erfolgreiche Kletterkarriere hinter sich hatte, Sie als Teilnehmer auswählte?

Der Grund dafür war die Direttissima auf die Königspitze, die ich 1956 kletterte, ein Jahr vor der Expedition auf den Broad Peak (Königspitze, 3857 m, Gran Zebru (ital.), Ortlergruppe in Italien, Anm. d. R.). Das war in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts der extremste Klettererfolg in Schnee und Eis und es war der entscheidende Augenblick in meinem Kletterleben (22. 9. 1956). Die Route verlief über eine überhängende Eisformation (riesige Wechte) auf der Nordseite unter dem Gipfel des Berges, der wegen seiner charakteristischen Form auch Schaumrolle genannt wurde. Dieser Gletscher bricht wegen seines Gewichts alle paar Jahrzehnte zusammen. Zu Beginn der 60-iger Jahre fiel er in sich zusammen.

Mit wem sind Sie diese Route geklettert? 

Zuerst bin ich mit Albert Morocutti geklettert. An diesem ersten Tag kamen wir auf unserer Route bis 15 oder 20 Meter unter den Gipfel - es fehlte nur noch die Bewältigung der Schlüsselstelle, also die Wechte (in die wir bereits eingedrungen waren). In letzter Minute fanden wir die Lösung, wie wir die Schaumrolle überwinden könnten. Albert musste aber wegen der Arbeit nach Hause und deshalb stiegen wir ab.Ich versuchte jemanden zu finden, um die Route zu beenden. Ich hatte dort einen guten Freund, nur war seiner Frau die Sache zu gefährlich. Darum habe ich versucht, noch einen anderen Freund zu überreden, aber vergeblich. Dann kamen zwei junge Südtiroler. Ich habe ihnen vorgeschlagen, gemeinsam zu klettern. Sie hatten zwar andere Pläne, nahmen aber meinen Vorschlag an und wir vereinbarten gemeinsam zu klettern. Als ich am nächsten Morgen aufstand, musste ich überrascht feststellen, dass sie sich in der Wand befanden, auf der Route, wo ich eine Woche vorher mit Morocutti geklettert war ... Ich beeilte mich und entdeckte Sie an der Stelle, an der wir eine Woche davor gestoppt hatten. Ich hatte den Eindruck, dass sie nicht weiterkamen. Ich rief: »Was ist denn mit unserer Vereinbarung?« Einer fragte mich, ob ich alle meine Eishaken (es gab damals noch keine Eisschrauben) dabei hätte. Sie hatten offenbar festgestellt, dass es ohne nicht gehen würde. Ich sagte: »Ok, ich komme, aber ich gehe in Führung.« Ich kletterte weiter bis zum Gipfel. Danach stellte sich fest, dass der Letze am Seil (Herbert Knapp) ein grosses Problem hatte, die ab seinem Standplatz folgenden technisch schwierigen Eiskletterpassagen hinauf zum Gipfel zu meistern. Er benoetigte bereits Seilhilfe von oben um nur den Mittelmann zu erreichen. Unterweger und ich plagten uns ziemlich, ihn mit Hilfe eine 20-Meter Seils, das ich mitführte, über die Stelle zu bringen. Außerdem war das hilfreiche Seil, mit dem ich zunächst den Letzten zog, mein Reserveseil, das ich nach dem Erreichen des Gipfels erst im Alleingang aus der Wand holen musste - und Unterweger und ich haben mit zwei Seilen den Knapp gezogen, nachdem auch Unterweger den Gipfel erreicht hatte. Ich weiß nicht, wie es geendet hätte, wenn ich dieses Seil nicht gehabt hätte. Leider hat gerade er später alles verzerrt dargestellt. Später hat Messner, der seine Meinung zu allem kundtun muss, gesagt, dass die beiden die ersten waren, die diese Route geklettert sind, weil ich sie nicht von unten geklettert sei, sondern von der Seite eingestiegen sei. Bei einem Treffen in Sulden habe ich erzählt, wie diese Kletterei abgelaufen ist und dass die beiden die Zweiten in der Route waren, die Morocutti und ich eine Woche davor geplant hatten. Warum sollte ich also die gesamt Route klettern, wenn es sinnvoll war, nur den fehlenden Abschnitt zu klettern? ... Vor kurzem ist ein Buch über diesen Berg erschienen und für das Kapitel Klettern habe ich ein Foto beigesteuert, auf der das Seil im Original zu sehen ist. Im Buch scheint es aber nicht auf. Davor war das Bild in einem anderen Buch veröffentlicht worden, wo das Seil sichtbar ist. Ich weiß nicht, warum sie es wegretouchiert haben. Vor kurzem wurden in einer italienischen Zeitschrift beiden Fotos veröffentlicht – das Originalfoto mit dem sichtbaren Seil aus dem älteren Buch und das aus dem neuen Buch, in dem das Seil retouchiert wurde. Daneben die Frage: Wohin ist das Kurts Seil verschwunden? Sie sehen also, das was mir den Weg ins Hochgebirge geebnet hat, den ich mir so sehr gewünscht habe, wird auch nach 60 Jahren noch disktuiert.

Wie kam es, dass in einer Zeit, in der die Expeditionen schon groß waren und eine militärische Logistik erforderten, für die Expedition auf den Broad Peak nur vier Personen vorgesehen waren? Neben Buhl und Ihnen waren da nur noch Markus Schmuck und Fritz Wintersteller.  

Das war Buhls Idee. »Wir brauchen keine große Expedition. Wir können auch eine kleine Gruppe von drei, vier Freunden sein«, meinte er. Er war der Meinung, dass wir auch jeden Achttausender so besteigen können wie die Gipfel der Westalpen. Wie wir den Broad Peak bezwungen haben, das war der so genannte Westalpenstil – eine kleine Expedition, keine Hochträger, keine Sauerstoffflaschen. Wir hatten aber Lager und verwendeten nur eine bestimmte Zahl von Fixseilen. Buhl war ein sehr vorsichtiger Kletterer. »Beim Abstieg werden wir sie brauchen«, meinte er. Das war also kein reiner alpiner Stil. Die Kletterart, die mit dem Begriff Alpinstil bezeichnet wird, verwendeten Buhl und ich am Chogolisa. Wir trugen die gesamte Ausrüstung höher und höher, wie die Schnecke ihr Haus. Buhl hat also schon in den fünfziger Jahren das Klettern im Alpinstil vorgezeigt, das erst viel später bekannt und verbreitet war. Als Messner mit Habeler den Gasherbrum I kletterte, sagte er, dass sie gleich geklettert seien wie Buhl und ich beinahe 20 Jahre davor. Später hat er seine Meinung dann geändert, aber das ist ja nichts Neues. 

Über Messner haben Sie nicht die beste Meinung.

Damit Sie mich nicht falsch verstehen – als Bergsteiger schätze ich ihn sehr, da gibt es überhaupt keinen Zweifel daran. Nur ändern sich seine Meinungen und er ist eben ein Diplomat und ein Mensch, den vor allem auch sein Rang im Alpinismus beschäftigt. Wenn er etwas sagt, sehe ich mir immer genau an, was er gesagt hat. Manchmal sind das Meinungen von Dritten, ihm zu Gefallen - und er weiss nichts davon.

Um zum Broad Peak zurückzukehren. Bei dieser Expedition war kein Arzt anwesend. Verfügte jemand von Ihnen über medizinisches Wissen?  

Ich war der »Arzt«. Buhl sagte zu mir: Du hast studiert, du hast einen Monat Zeit. Geh zu einem richtigen Arzt, der wird dir alles erzählen und dann wirst du unser Arzt bei der Expedition sein. Ich hatte 27 Kilo Medikamente und medizinische Ausrüstung bei mir. Der Arzt hat alles beschrieben: Das ist für Kopfweh, das ist für den Bauch, das ist für dies und jenes. Zum Glück hatten wir keine ernsthaften gesundheitlichen Probleme.

Hatten Sie damals auch Pervitin mit (ein Methamphetamin)?

Nein, hatten wir nicht. Vielleicht hatte Wintersteller es mit, der später gesagt hat, dass Buhl bei der Expedition auf den Broad Peak Pervitin verwendet habe. Ich weiß nicht, warum er das gesagt hat. Buhl hatte es am Nanga Parbat, das hat er selbst gesagt. Aber damals war es bei Expeditionen ganz normal, für den Notfall Pervitin dabei zu haben. Auf dem Broad Peak hatten wir kein Pervitin.

Wie verlief die Expedition? Waren Sie mit Buhl in einer Seilschaft und Schmuck mit Wintersteller in der zweiten?

Die Expedition auf den Broad Peak war leider kein Beispiel für gute Kameradschaft. Bis zu einem bestimmten Punkt haben wir gut zusammengearbeitet und waren auf dem Weg zu einem gemeinsamen Erfolg. Auf dem Weg zum Gipfel zerfiel die Expedition aber in zwei Seilschaften. In einer waren Schmuck und Wintersteller, in der anderen waren Buhl und ich. Schon vor dem Beginn der Expedition gab es zwischen Buhl und Schmuck große Spannungen in Bezug darauf, wer die Expedition anführt. Eine Zeit lang war überhaupt nicht klar, ob wir überhaupt gehen werden. Schließlich einigten sie sich darauf, das Schmuck der offizielle Organisationsleiter der Expedition war, während Buhl beim Klettern die Führung hatte. Es ist viel einfacher, wenn es eine große Expedition mit einem einzigen Führer gibt. Wir waren lediglich vier und hatten gleich zwei Anführer, die sich nicht einmal darüber einigen konnten, wer wofür zuständig war. Kletterer müssen vor einer Expedition Freunde sein, das Wissen um die Kletterfähigkeiten der anderen ist nicht genug. Wir kannten uns nicht einmal alle. Ich war ein junger Bursche, der nur Buhl kannte und ihn bewunderte. Schmuck und Wintersteller kannten einander von früher, kannten mich und Buhl aber nicht. Das war eine unmögliche Konstellation einer Expedition, die man niemals wiederholen sollte. Sie müssen auch wissen, dass es damals am Gletscher Baltoro, wo es heute von Menschen nur so wimmelt, keine Menschenseele gab, mit der man hätte reden und die Spannungen abbauen können.

Wie viel sind Sie mit Buhl vor der Expedition  auf den Broad Peak zusammen geklettert?

Wir sind überhaupt nicht zusammen geklettert. Ich habe ihn bei einem seiner Vorträge getroffen und habe ihn als eine Art Klettervater gesehen. Unsere erste Tour war kurz vor der Expedition auf den Broad Peak. Wir versuchten auf den Uli Biaho Tower (6109 m beim Gletscher Baltoro in Pakistan) zu kommen, was uns aber nicht gelang. Das war eher so eine Aufklärungstour im Wunsch, bei der Rückkehr vielleicht auf den Gipfel zu kommen und vielleicht auch auf die Trango-Türme. Für mich war das ein großes Abenteuer, weil ich zum ersten Mal mit Buhl geklettert bin. Ich habe noch Fotos von damals und vielleicht sollte ich darüber noch etwas schreiben.

Trotz der Schwierigkeiten, von denen Sie gesprochen haben, erreichten Sie am 9. Juni 1957 beim zweiten Versuch den Gipfel des Broad Peak. Schmuck und Wintersteller haben zehn Tage später den Siebentausender Skil Brum bestiegen, während Buhl und Sie sich den Chogolisa als Ziel ausgewählt haben. Wie kam es zur Tragödie?

Als wir am 27. Juni auf dem Weg auf den Chogolisa waren, waren die Verhältnisse schlecht. Der Wind wehte stark und vertrug den Schnee, es war ein richtiger Schneesturm. Unser sechster Sinn, die Intuition, hielt uns davon ab, auf den Berg zu gehen, aber der siebte Sinn, der ein anderer ist, sprach »Ich muss dahin ...« Vor kurzem erschien der Wiederabdruck der italienischen Übersetzung meines Buches Der siebte Sinn, wo ich darüber schreibe. Der siebte Sinn treibt uns an, aber es wenn es den sechsten nicht ebenfalls dabei gibt, der einen warnt, werden Sie früher oder später sterben. Im Schneesturm auf dem Chogolisa hat der sechste Sinn gesiegt und wir sind umgekehrt. Während des Abstiegs kam es zum Unglück ... Hermann Buhl fiel über die Wand und ich überlebte nur wegen eines dummen Fehlers – wir waren nicht angeseilt. Sonst hätte er mich mit sich gerissen. Ich habe es diesem Fehler zu verdanken, dass ich noch lebe.

Auch im Zusammenhang mit der Tragödie, die sich beinahe 30 Jahre später auf dem K2 ereignete, als Ihre Kletterpartnerin Julie Tullis starb, mit der Sie lange zusammen Filme produziert haben, sprachen Sie über den siebten Sinn.  

Julie und ich sahen auf etwa 8500 Metern, dass sich das Wetter ändert. Es schien wahrscheinlich, dass es für längere Zeit so bleiben würde. Wir beiden waren nur gute 100 Meter, vielleicht auch 150 Meter vom Gipfel entfernt. Es war also eine typische Frage des sechsten oder siebten Sinns: Sollen wir umkehren oder es trotzdem versuchen? Wir haben uns dazu entschieden, weiter zu gehen, weil das unsere einzige Chance im Leben sein würde. In diesem Augenblick ist alles nur auf eine Sache konzentriert – das ist der siebte Sinn. Friedrich Schiller hat gesagt: Was man in einem bestimmten Augenblick nicht tut, das kann auch die Unendlichkeit nicht zurückbringen. Für manche Dinge bekommt man im Leben nur einmal die Gelegenheit sie zu tun und dann muss man sich entscheiden, ob man es wagt oder nicht ... Während der Rückkehr vom Gipfel biwakierten wir auf einer Höhe von etwa 8300 Metern. Dann schlugen wir uns am nächsten Tag bis zum Lager durch. Mehrere Tage lang steckten wir im Schneesturm auf beinahe 8000 Metern fest. Wir waren ohne Nahrung, hatten zu wenig Gas, waren erschöpft, bekamen die Höhenkrankheit. ... Julie starb vermutlich an der Höhenkrankheit. Vielleicht ist sie ein Opfer von Diamox, das sie damals nahm. Danach ging es ihr noch schlechter.

Damals ging es auch um eine Rettungsaktion auf einer Höhe über 8000 Metern.

Nein, fuer eine Rettung gab es damals keine Chance. Waehrend des Abstiegs vom Gipfel rutschte Julie ab und ich hielt sie fuer den Bruchteil einer Sekunde, dann stuerzten wir beide ab, doch ueberlebten wir wie durch ein Wunder.

Aber nach einem Biwak sassen wir dann tagelang wie in einer Falle auf der Schulter des K2. Ich versuchte spaeter einem Kletterer zu helfen und gab ihm einen Schlafsack, mehr konnte ich nicht tun.

Hatten Sie auch selbst einmal Probleme mit der Höhenkrankheit?

Nur einmal, auf dem Mt. Kenya zu Beginn der 60-iger Jahre. Davor lehrte ich Betriebswirtschaft, Buchhaltung und ähnlich schreckliche Dinge, die ich nicht mochte. Ich war zu beschäftigt und hatte keine Zeit mich entsprechend vorzubereiten, war in einer schlechten Form. Wir gingen zu den Weihnachtsfeiertagen lost und waren vielleicht zu schnell, auf 4000 Metern bekam ich die Höhenkrankheit. Aber nach zwei oder drei Tagen war ich wieder auf dem Damm und konnte über eine teilweise neue Route auf den Nelion klettern. Mir ging es ausgezeichnet. Sonst hatte ich keine Probleme. Vielleicht noch ein wenig auf dem Makalu im Jahr 1978. Bei der Höhe ist es wichtig, nicht zu schnell zu gehen, man muss dem Körper Zeit geben sich zu akklimatisieren. Heute werden unterschiedliche Medikamente verwendet, die ich für gefährlich halte, weil nicht alle gleich darauf reagieren. Von 100 Menschen helfen sie vielleicht 90, zehn Menschen aber helfen sie nicht und schaden ihnen vielleicht sogar. Diamox kann unter Umständen, wenn man zum Beispiel dehydriert ist, gefährlich sein. Wie ich schon sagte, war Julie vielleicht ein Opfer von Diamox. Ich habe auch selbst ähnliche Erfahrungen gemacht. Auf dem Nanga Parbat gab mir ein Mitglied der Expedition eine Schlaftablette, weil ich viel arbeitete und starke Kopfschmerzen hatte. Aber danach fühlte ich mich furchtbar. »Oje, entschuldige«, sagte er am nächsten Tag, als ich ihm das sagte. »Ich habe dir eigentlich Diamox gegeben, es war in der gleichen Schachtel ...«. Dabei muss man allerdings berücksichtigen, dass ich akklimatisiert war. Wenn Sie das nicht sind, ist es immer die Frage, wie der Körper reagiert. Greg Child hat mir gesagt, dass er ähnliche Erfahrungen gemacht hat. Vielleicht kann man Diamox beim Abstieg vom Kilimandscharo nehmen, um leichter hinunter zu kommen, also bei einem eher touristischen Unterfangen. Bei einer ernsthaften Expedition ins Hochgebirge sollte man das allerdings nicht sorglos tun.

In den sechziger Jahren kletterten Sie auch im Hindukusch und in Afghanistan

Ja, das war im Jahr 1967, wenn auch nicht in Afghanistan, sondern in Pakistan. Vielleicht habe ich auch die Grenze zu Afghanistan überquert, als ich den Tirich Mir (7708 m, höchster Berg außerhalb des Himalaya-Karakorum Gebirges) umkreiste. Es weiß ohnehin niemand, wo diese Grenze genau verläuft. Im Jahr 1965 unternahm ich mit meinem Kletterpartner – wir waren nur zu zweit – einige Erstbesteigungen in diesen Bergen. Damals erforschten wir das ganze Gebiet des Oberen Tirich Gletschers. Wir hatten 27 mobile Lager. Ausserdem kletterte ich mit einem Japaner im Alpinstil über eine neue Route auf den Tirich Mir, den die Norweger im Jahr 1950 zum ersten Mal bestiegen haben. Ich habe auch meiner ersten Frau Tona 1965 bei der Ausarbeitung der geologischen Karte fuer dieses Gebiet geholfen.

Der Ausbildung nach haben Sie einen Magister in Betriebswirtschaft, haben sich beruflich aber vorwiegend auf das Drehen von Bergfilmen konzentriert. Wann haben Sie mit dem Filmen begonnen?

Den ersten richtigen Film habe ich mit Franz Lindner am Mont Blanc bei der Überschreitung des integralen Peutereygrats in fünf Tagen gedreht, ein Jahr nach dem Broad Peak. Den ersten richtigen Film habe ich am Mont Blanc im Jahr 1958 gedreht, ein Jahr nach dem Broad Peak. Ein paar kleinere Sachen habe ich vorher auch schon gefilmt. Im Jahr 1960, als wir auf dem Dhalaugiri waren, machte ich die ersten Aufnahmen auf dem Gipfel dieses Bergs. Ich verwendete eine 16-Millimeter Kamera, mit der ich sehr gerne arbeitete. Das Klettern ist ein Teil meines Lebens, der andere Teil, der mir wichtig scheint, sind die Dinge, die man mit den Bergen machen kann, auf denen man war: Vorträge, Ausbildung der Jugend, Bücher, Filme. Ich drehte am Karakorum, im Himalaya, in den Anden, in Grönland, in Äthiopien, in den Alpen und auch am Orinoco.

Wie lange arbeiteten Sie mit Julie Tullis zusammen?

Wir haben uns in den siebziger Jahren getroffen, ich denke es war 1971 oder 1973. Später habe ich sie eingeladen, mit mir zusammenzuarbeiten. Wir drehten zum ersten Mal am Nanga Parbat 1982. Wir haben sehr gut harmoniert, waren ein ideales Team und haben bis zu ihrem unglücklichen Tod 1986 zusammengearbeitet.

Seit der Zeit, als Sie mit dem Klettern begonnen haben bis heute ist es in diesem Bereich zu zahlreichen Veränderungen gekommen. Was hat sich Ihrer Meinung nach in dieser Zeit am meisten verändert?  

Der große Unterschied sind die Ziele. Ich kenne zwar die Statistik nicht, aber ich glaube sie würde meine Meinung bestätigen. Heute geht die Mehrheit der Expeditionen auf dem Normalweg auf den Gipfel eines Achttausenders. Das ist heute eine Massenbewegung geworden, ein Massentourismus. Die Routen sind mit Fixseilen ausgestattet, was dem Alpenstil vollkommen widerspricht. Auf dem Everest feiert der Tourismus heute einen wahren Höhepunkt. Ich stimme Messner zu, dass das touristisches Bergsteigen ist. Das Gleiche passiert auch anderswo. Viele von diesen Menschen kommen auf den Gipfel, aber sie können nicht behaupten, dass sie wirklich raufgeklettert sind, da die Bergführer und Sherpas mit den Fixseilen schon diese Vorarbeit geleistet haben. Die Kommerzialisierung führt zu einer Vielzahl an Expeditionen und das ist für die Berge nicht gut und auch nicht für den richtigen Alpinismus, da ihm diese kommerziellen Expeditionen den Raum wegnehmen. Eine positive Folge der kommerziellen Expeditionen ist aber sicher die, dass die Sherpas davon leben können. Wenn jemand zeigen möchte, dass er die Dinge auch anders oder besser machen kann, dann zeigt er das durch die Geschwindigkeit des Aufstiegs. Dieses Denken ist leider allgegenwärtig. Statt einen Weg zu erforschen, konzentriert man sich heute auf die Geschwindigkeit. Nicht nur auf den Normalwegen. Es gibt Einzelne, die auch auf anspruchsvollen Routen außergewöhnlich schnell sind. Zum Beispiel der Schweizer Ueli Steck, der die Eiger Nordwand »raufgelaufen« ist. Sein Buch »Speed« ist typisch für diesen Ansatz. Am El Capitan war es mit den Huber-Brüdern ähnlich. Sie drehten darüber auch einen Film (To the Limit, 2007, Anm. d. R.). Einer fand beinahe den Tod ...

Sie halten nicht so viel von der Geschwindigkeit?

Menschen, die so schnell klettern können, sind sicher ausgezeichnete Kletterer. Aber ich sehe selbst darin keinen richtigen Sinn. Das ist kein richtiges Bergsteigen, bei der Geschwindigkeit gibt es kein Erforschen. Die Geschwindigkeit ist auch gefährlich, insbesondere wenn die Verhältnisse schwierig sind. In einem meiner Filme spreche ich auch über mein Verhältnis zur Geschwindigkeit. Es gibt aber auch einen dritten Weg – dass man sich auf macht zu einer unbekannten Seite des Bergs und dort versucht eine neue Route zu klettern. Das ist richtiges Klettern. Es gibt junge Kletterer, die das Gleiche denken. Sie wissen, dass es viele fantastische niedrigere Berge gibt, Sechs- und auch Fünftausender und dass es unendlich viele Möglichkeiten für neue Routen gibt. China ist in dieser Hinsicht noch weitgehend unerforscht, aber auch Indien und Pakistan. Darüber dachte Buhl schon 1957 auf dem Chogolisa nach. Wir blickten nach Süden, wo wir fantastische Türme sahen und er sagte: „Das nächste Mal müssen wir dahin ...“. Na ja, das Klettern hat neben dem Massentourismus und den sportlichen und Erkundungstouren auch eine spektakuläre Variante. Es ist vom Fernsehen abhängig, und das ist traurig, aber es ist eben so. Das Sportklettern, also das schnelle Klettern hat hier keine richtigen Möglichkeiten. Und was ist dabei, wenn einer da hinauf läuft? Das kann man noch nicht einmal aufnehmen. Das Fernsehen interessiert sich nur fürs Spektakel, die Tragödien. Das weiß ich leider nur zu gut. Im Jahr 1984 habe ich den besten Film über den K2 gemacht, der seine eigene Philosophie vertrat, die auch aus dem Titel ersichtlich war: K2: The elusive summit. Dieser Film hat nirgends einen Preis bekommen. Einen Preis hat ein anderer Film über diesen Berg bekommen, insgesamt sogar sieben Preise, und er wurde im Fernsehen gezeigt. Diesen Film habe ich zwei Jahre später gemacht, als viele Menschen auf dem K2 gestorben sind (neben den fünf Mitgliedern der Diemberger-Expedition noch acht andere Kletterer, Anm. d. R.). Auch dieser Film ist nicht schlecht, aber nicht so gut wie der andere. Aber weil eine Tragödie geschehen ist, war das Interesse daran eben sehr groß. Leider ist es so, dass auch die professionellen Kletterer nicht überleben könnten, wenn sie sich nicht fürs Spektakel entscheiden würden, wie es das Fernsehen braucht.

Was sagen Sie zur Behauptung, dass es heute in den Bergen nicht mehr die ethische Einstellung von damals gibt?  

Dem stimme ich nicht zu. Man muss von Fall zu Fall unterscheiden. Die Ethik hängt vom Einzelnen ab, manche haben Sie, andere nicht. Man kann nicht über eine allgemeine Entwicklung der Ethik sprechen.

Sie stammen aus Villach, das ja in der Nähe von Slowenien liegt. Sind Sie auch in Slowenien geklettert?

Ich erinnere mich, dass mir mein Vater als Kind, wenn wir auf die Gerlitzen gingen, die Julischen Alpen gezeigt hat, den Triglav und den Špik. Geklettert bin ich in Slowenien nie. In den neunziger Jahren war ich auf dem Triglav, nur war das kein Klettern. Ich war in der Höhle von Škocjan, in der Adelsberger Grotte und bin über den Predilpass zum Isonzo gefahren. Das ist eine sehr schöne Landschaft. Ich erinnere mich an guten Fisch, nur im Kajak habe ich mich nicht sehr bewährt.

Hatten Sie jemals Kontakt mit slowenischen Bergsteigern?

Natürlich, mit slowenischen Bergsteigern hatte ich viele Kontakte. Vor kurzem habe ich mit Peter Podgornik gesprochen, den ich vor Jahren mit Aleš Kunaver kennengelernt habe. Ich war auch mit Jože Andlovic in Kontakt und kenne Viki Grošelj, Ines Božič und Janez Skok. Wir haben die Übersetzung meines Buches über den K2 vereinbar, das in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Ich weiß aber nicht, warum es noch nicht erschienen ist. Ines habe ich manchmal angerufen, nur sind seit damals auch schon ein paar Jahre vergangen. Immer ist es an etwas gescheitert, angeblich zuerst an der Übersetzung, dann hakte es bei den Korrekturen, die anscheinend noch notwendig waren. Ich weiß nicht ... Ich wäre froh, wenn dieses Buch auch auf Slowenisch erscheinen würde.

Was halten Sie vom Goldenen Pickel, den in diesem Jahr Marko Prezelj, Luka Lindič und Aleš Česen für ihre Route in Indien erhalten werden?

Da kann ich nur schwer etwas sagen, weil ich die Details nicht kenne. Aber das ist vielleicht eine dieser Durchsteigungen, über die ich spreche – die Erforschung neuer Berge, die Suche nach neuen Routen. Im übrigen glaube ich, dass man Routen von Fall zu Fall beurteilen sollte. Wegen der Fixseile ist nicht einmal der K2 noch der Berg, den wir gekannt haben. Der Everest ist das ohnehin nicht mehr. Wenn Sie sich für den Everest über die Kangshung-Wand entscheiden, ist das eine gute, jedoch sehr gefaehrliche Sache. Sogar auf den Achttausendern gibt es noch Möglichkeiten für neue Routen.

Was beschäftigt Sie im Augenblick?

Ich schreibe an zukünftigen Büchern. Dabei schreibe ich nicht für ein bestimmtes Buch. Ich schreibe einfach Erinnerungen und unterschiedliche Texte. Es ist gar nicht so leicht, ich müsste mich besser organisieren. Es ist nicht einfach, unterschiedliche Dinge unter ein Dach zu bekommen. Meine Frau hilft mir, sie ist jetzt in Pension. Leider spricht sie kein Deutsch, das würde die Dinge erleichtern. 

 
 
 
 

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